Mein Paris


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Da kam vor Kurzem eine Anfrage, welche Romane in Paris denn in den Hallen spielen würden. Da fielen mir zwei Romane auf Anhieb ein: "Der kleine Heilige" und "Der Tod des Auguste Mature" – beides herausragende Romane, die das Leben in und um die Hallen beschreiben. Im ersten geht es um einen Jungen, der von den Hallen gefangen genommen wird und sich dort lange Zeit seinen Lebensunterhalt verdient. Es ist eine Hochzeit der Hallen. Im zweiten Buch näheren sich die Hallen schon ihrem Ende. Der alte Auguste Mature ist gestorben und sein Sohn, der Nachfolger weiß, dass das Geschäft nicht auf ewig laufen wird. Entweder wird das Geschäft abgerissen oder es wird unter der ausbleibenden Klientel zu leiden haben, denn die Hallen haben das Geschäft zu dem gemacht, was es darstellt.

Die Hallen werden auch bei Maigret immer wieder erwähnt. Meist, wenn es darum geht, dass sich dieser oder jener seinen Lebensunterhalt verdienen hat müssen. Dann ging er die Hallen und versuchte, sich als Auspacker zu betätigen. Verkäufer zu sein, war schon ein Aufstieg.

An der Stelle, wo früher die Hallen standen, der Frischplatz von Paris, ist heute ein riesiges Einkaufszentrum zu finden. Das hat natürlich nicht den Charme, den die Hallen in den Büchern von Simenon versprühen, aber es ist wohl der Gang der Zeit, dass die Großhandelsmärkte, als solchen kann man die Hallen von damals betrachten, sich in die Vorstädte zurückziehen, wo sie verkehrstechnisch günstiger zu erreichen sind.

Um einen Eindruck zu bekommen, wie es in der damaligen Zeit um die Hallen herum ausgesehen hat, bin ich dem Hinweis des Simenon-Bücher-Suchenden gefolgt und habe mir von Lothar-Günther Buchheim das Buch »Mein Paris – eine Stadt vor dreißig Jahren« zugelegt. Erschienen ist das Buch Mitte der siebziger Jahre bei Piper. So sieht man denn hauptsächlich Bilder aus den vierziger Jahren. Da durchschießt einem beim Betrachten der Bilder unwillkürlich der Gedanke: das war das Paris, wie es Maigret gesehen hat.

Die Bilder wirken nicht gekünstelt: mal sind sie unscharf, mal zu dunkel – immer zeigen sie ein Paris, wie wir es uns als Touristen heute nicht mehr vorstellen können – Schiefe Häuser, dreckige Straßen. Buchheim sagt, trotzdem ist die Stadt, wie sie in den 1940er gewesen war, seine Stadt. Man hat den Eindruck, dass er die Stadt, so wie sie damals war – schmuddelig und unaufgeräumt – mehr mochte, als die aufgeräumte, für Touristen verschönerte Metropole. Selbst sein renoviertes Hotelzimmer bedachte Buchheim in seinem Text mit Skepsis. In den Texten, die in dem Buch zu finden sind, verweist er immer wieder auf das handwerkliche Ungeschick der Städteplaner, die alles verbessern wollten und der Stadt künstliche Wunden beifügten, die wohl nie mehr heilen.

Buchheim ist in der Beziehung genauso Nostalgiker, wie Maigret in den Büchern einer ist und wie es Simenon ebenfalls war.