Ich habe Maigret satt


Was klingt interessanter: »Ich hatte Maigret satt« oder »Ich habe Maigret satt«? Dieser Frage musste sich ein Redakteur von »Sonne - Das Familienmagazin« stellen und das nicht heute sondern 1967. Er entschied sich für die fetzige, damalige Gegenwarts-Variante und lag völlig falsch.

Richtiger wäre die erste Variante gewesen, denn im Text wird Simenon eindeutig zitiert:

Fünf oder sechs Jahre lang schrieb ich überhaupt keinen Maigret. Ich hatte ihn bis oben hin satt. Bis dann wieder ein zärtliches Gefühl für ihn in mir aufkam.

»Sonne«, ein Familienmagazin aus dem Sonnenverlag (welcher wiederum zum Klambt-Verlag gehört), ist für sich schon interessant und als ich das Heft in den Händen hielt, war ich ziemlich amüsiert. Natürlich waren es die Geschichten aus der High Society, die dem Magazin ihren Anstrich gaben. Dazu kam noch das Fernsehprogramm und schon hatte man eine komplette Familienzeitschrift. Das Prinzip hat sich in diesem Zeitschriften-Segment in den letzten zehn Jahre nicht geändert. Aber den Verlag gibt es immer noch und da ist zu lesen, dass die Zeitschrift »Sonne für alle« (die Mutter-Zeitschrift, wenn man so will) sehr beliebt war, weil sie im Abo zusammen mit einer Familien-Unfallversicherung zu haben war. Von den Zeitschriften, die auf der Webseite des Verlags genannt werden, ist mir keine einzige vertraut - ich gehöre auch nicht (oder noch nicht) zur Zielgruppe dieses Verlags.

Der Artikel selbst dreht sich hauptsächlich um das neue Haus von Simenon. Es geht aus dem Artikel nicht hervor, ob Simenon einem Redakteur eine Audienz gab oder ob die Informationen aus verschiedenen anderen Quellen zusammengeklaubt wurden. Der Text tönt danach, man hat sich aber nicht der Peinlichkeit hingegeben, zu schreiben, dass Simenon exklusiv mit Sonne gesprochen hat.

Es wird berichtet, dass es das dreißigste Heim von Simenon gewesen wäre und das erste, das er selbst entworfen hätte. Simenon beabsichtigte dort zu sterben. Kein Geheimnis, dass dies nicht der Fall war. Er zog sich schon in den siebziger Jahren in die Innenstadt zurück. Der Ausblick von seinem Haus muss aber überwältigend gewesen sein - von den italienischen Alpen bis zum Mont Blanc und zum Genfer See. Die Materialien, die er für das Haus verarbeitete, waren modern. So verwendete er beispielsweise doppelverglaste Fenster.

Der Redakteur schreibt, dass Simenon in dem Haus mit seinen drei Kindern wohnt. Denyse wurde mit keinem Wort erwähnt. Dafür, dass es 21 Telefone, sieben Badezimmer, sieben Kühlschränke und sieben Fernseher gab - war »sieben« jetzt eigentlich eine Glückszahl?

Sechs Monate benötigte Simenon für die Planung seines Hauses, die Grundstücksauswahl brauchte etwas länger. Demnach wäre weniger der Ausblick entscheidend gewesen als vielmehr die Nähe zum Golfplatz. Das ist zumindest für mich was neues, weil ich bisher überhaupt nicht wusste, das Simenon Golf spielen würde. Andererseits steht es in dem Artikel mit

[...] wobei wahrscheinlich weniger der Ausblick als der in der Nähe liegende Golfplatz mitentscheidend war.

Schön auch das Zitat

Ich bin nicht arm, aber ich bin auch nicht reich. Wenn ich so leben, dann deshalb, weil ich mein Geld ausgebe. Hätte ich meine Energien in die Geschäftswelt gesteckt, dann wäre ich tausendmal reicher als ich es heute bin.

Mit »hätte« hat man immer so seine Probleme. Man kann es nicht ausschließen, aber eine Gewissheit gäbe es nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass Simenon ein Ende ereilt hätte (da ist es schon wieder, dieses »hätte«), wie man es aus seinen Roman dur-Büchern kennt, ist gar nicht mal so klein. Was mich ein wenig stutzig macht, ist der erste Satz in dem Zitat, in dem er mit seinem Reichtum kokettiert. Rückt man mal die Maßstäbe gerade, kommt sicher heraus, dass niemand, der nicht reich ist, ein Haus mit angeblich ungezählten Zimmer besitzt und einen ganzen Stab von Mitarbeitern beschäftigt.