Für das Ohr
Man kann Simenon lesen, man kann ihn sich anschauen, man kann ihn auch hören. Letzteres ist eine Facette, die an dieser Stelle etwas näher beleuchtet werden soll.
Mittlerweile haben sich in Sachen »Hören« zwei Genre herausgebildet. Zum einen haben wir da das klassische Hörspiel. Schauspieler sind dabei und stellen Dialoge nach und ein Tonmeister werkelt im Hintergrund, um die Szenen akustisch zu unterstützten (womit sich dessen Tätigkeit sicher nicht von der eines Tonmeister im Kino oder Fernsehen unterscheidet). Anhand dessen, muss der Hörer nachvollziehen, was sich tut. Das Hörbuch, das zweite Medium, besteht in der Regel aus einem Vorlesenden: der tut, was der Name schon sagt, nichts anderes als Vorlesen. Wenn er gut ist, liest er mit einer angemessenen Betonung vor (verstellt vielleicht hier und da noch einmal die Stimme), aber es gibt keine szenischen Elemente. Das Hörbuch ist, wenn man so will, abstrakter. Andere sagen, das Hörbuch ist nur für die Leute was, die zu faul zum Lesen sind. An der Stelle sollen beide Meinungen stehen bleiben.
Simenon wurde in Deutschland recht früh für das Radio entdeckt. Man kann immer gut diskutieren, was zuerst da gewesen war, die Henne oder das Ei, auch bei Simenon lässt sich das nicht klar zuordnen. Bis Mitte der fünfziger Jahre gab es Simenon für die breite Masse nicht, Maigret war nur eingefleischten Krimi-Fans ein Name. Dann nahm sich auf der Verlagsseite Kiepenheuer&Witsch des Schriftstellers und seines Kommissar an, und nach einem kleinen Intermezzo beim NWDR, fingen sowohl der SWR wie auch der Bayrische Rundfunk damit an, Hörspiele zu produzieren.
Die Umsetzungen zu Hörspielen wurde von großen Namen begleitet. Auf der Seite der Regisseure haben wir zum Beispiel Gert Westphal. Der am 11. November 2002 verstorbene Schauspieler und Regisseur ver»tonte« mindestens dreizehn Werke von Simenon – Maigrets wie auch Non-Maigrets. Westpahl wurde am 5. Oktober 1920 in Dresden geboren. Nach einem ersten Engagement in Bremen, verdingte er sich als Sprecher bei Radio Bremen, wo er nach kurzer Zeit auch Leiter der Hörspiel-Abteilung wurde. Nach fünf Jahren erfolgte der Wechsel zum Südwestfunk in gleicher Funktion – in diese Zeit fallen auch die Anfänge der Vertonung von Simenons durch seine Hand (wenn man auch vermuten darf, dass »Ein armes Schwein bringt man nicht um« auch noch in seine Verantwortung fiel). Zwischen 1959 und 1980 spielte er in Zürich, nebenbei arbeitete er als Regisseur und Rezitator. Von der »Zeit« wurde er 1984 als »König der Vorleser« geadelt und in der Tat, hat er das wohl das komplette Werk von Goethe, Fontane und Thomas Mann im Rundfunk vorgetragen.
Glücklicherweise gibt es schon Nachwuchs. In jüngster Zeit widmeten sich vor allem Patrick Blank und Walter Adler dem Werk Simenons. Bemerkenswert ist, dass sich vor allem der Südwestfunk dem Werk von Simenon widmet. (Vielleicht ist an folgender Aussage eines Büchervertreters dran, der behauptete, dass im Süden mehr Simenon gelesen wird als im Norden, dafür Patricia Highsmith sich im Norden größerer Beliebtheit erfreut, als im Süden der Republik.)
Liest man sich die Besetzungslisten der Hörspiele durch, so kommen einem immer wieder bekannte Namen unter: Gert Westphal muss an der Stelle nicht groß erwähnt werden. Hans Clarin fiel mir sofort ins Auge, Hörern sagen Namen wie Gert Haucke, Joachim Nottke und Leonard Steckel vielleicht mehr. Letzterer war der Sprecher Maigret aus den fünfziger, sechziger Jahren – den Produktionen des Südwestfunkes. Eine Abbildung zeigt ihn maigretspezifischer Pose, ernsthafter Blick, Pfeife im Mund – der Hut passt nicht ganz. Aber er könnte Maigret sein, ein viel typischerer Maigret zumindest, als ihn Heinz Rühmann gegeben hat. Der Schauspieler, der 8. Januar 1901 geboren wurde und in Berlin aufwuchs, ging schon früh zur Bühne. 1933 ging er ins Exil. Er betätigte sich sowohl als Schauspieler wie auch als Regisseur. Am 9. Februar 1971 verstarb Leonard Steckel.
Auf der anderen Seite haben wir Lesungen. Jüngerer Natur ist der von Mario Adorf und Otto Sander gelesene Briefwechsel zwischen Federico Fellini und Georges Simenon. Ebenfalls eine bekannte (vielleicht auch markante) Stimme hat Charles Brauer, der in der Vergangenheit als Maigret auftrat und in der 2003 als Leser auftrat des »Brief an meine Mutter«. Die Masse der Hörbücher wurde vom Verlag »schumm sprechende bücher» produziert. Hier tat sich besonders Edgar M. Böhlke als Sprecher hervor – der Schauspieler wurde 1940 geboren und arbeitet seit 1967 für Theater, Funk und Fernsehen. Seit 1987 ist er Professor für Schauspiel an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Frankfurt am Main.