DU - Im März für Simenon


Eine direkte Ansprache, die allerdings nichts im geringsten mit der penetranten GEZ-Werbung aus dem Kino zu tun hat, die einen vergreisten James-Brown-Verschnitt zeigt, und in einem dem Gedanken sät, den Fernseher abzuschaffen, um es den Öffentlich-Rechtlichen mal richtig zu zeigen (dann denkt man sich aber, es ist ja immer noch etwas anspruchsvolleres Programm, als man es von den privaten Sendern erwarten kann). Immerhin ist diese direkte Ansprache: »hast du auch bezahlt«, gar nicht so fern von diesem Thema, das hier angesprochen werden soll.

»du« fordert indirekt den Leser auf, sie zu kaufen. Nur dann kann man in den Genuss kommen und erfahren, was die Schweizer Magazinmacher uns über Georges Simenon mitzuteilen haben. Die Schweizer Zeitschrift für Kultur, so der Obertitel, hat sich mit dem Märzheft Simenon als Hauptthema vorgenommen und behandelt diesen auf etwa 60 Seiten, mit einer Ausführlichkeit, die dieser selbstverständlich verdient. Das Magazin hat eine gewisse Exklusivität, die sich nur im Preis spiegelt, sondern auch im Inhalt. Will heißen, die elf Euro, die man hierzulande für die Zeitung hinlegen muss (20 Franken in der Schweiz), sind es wert, ausgegeben zu werden.

Julian Barnes macht sich nicht nur Gedanken darüber, wie es um Simenon stand, sondern auch um seinen Biographen Patrick Marnham und dessen vor vielen Jahren erschienene Beschreibung um den Mord an Lord Lucans Dienstmädchen. In der hat er pedantisch errechnet, wieviele Schafe der Lord verspeist hat. Mit einer ähnlichen Akribie ist Marnham auch an das Leben Simenons gegangen, und obwohl Simenon ein Genießer war, sind mir in Marnahms Simenon-Buch keinerlei kulinarischen Rechnereien untergekommen. Barnes nähert sich von einer anderen Seite: den Frauen. Keine untypische Betrachtungsweise, aber wenn sich Simenon durch irgendetwas definiert und dieses nicht mit Literatur oder seiner Pfeife zu tun hat, dann durch sein Verhältnis zu den Frauen. In dem Artikel findet sich nichts Neues, was an Fakten und Zitaten erwähnt ist, findet sich auch in der Biographie des oben erwähnten Marnham. Es sind die Bermerkungen – Gedanken und Wertungen – von Barnes, die den Artikel sehr lesenswert machen.

Mit im Heft: »Der Hilfeschrei« (Une femme a crié) – eine Geschichte aus dem »Le Petit Docteur« (entstanden Ende der dreißiger Jahre). Der kleine Doktor hat mittlerweile Geschmack am Aufklären von Verbrechen gefunden und es hält ihn nichts mehr in seinem Dorf, als sich ein vermeintlich einfacher Fall zu einer komplizierten Geschichte auswächst. Er kommt auch ungerufen.

Sehr amüsant dagegen das Interview aus dem Jahre 1963, in dem Simenon sich zu seinen Beziehungen und zu seinem Verhältnis zu Maigret auslässt. Es fehlen auch nicht interessante Worte zu Madame Maigret. Dieses Interview erscheint zum allerersten Mal in deutscher Sprache.

Bekannt ist, dass Paul Celan deutscher Übersetzer von Simenon war – für genau genommen zwei Bücher. Nicht ganz unbekannt ist, dass er eine eigenwillige Übersetzungstechnik anwandte: er war bemüht, die Texte in ihrer Qualität zu heben. Ein Ansinnen, welches von Kiepenheuer & Witsch nicht ganz geteilt wurde. Man war mit dem Rohmaterial von Simenon ganz zufrieden und wünschte nur eine Übersetzung. Das diese Erstausgaben heute einen gewissen Wert haben, hat sich auch mittlerweile herumgesprochen. Den wenigsten dürfte aber bekannt sein, dass »du« eine sehr griffige Überschrift für einen Artikel zu dem Thema gefunden hat: »Diesmal ermordet: der Text«. Man kann die Redakteure nur beglückwünschen.

Darüberhinaus finden sich in dem Heft noch Artikel zu Verfilmungen und ein Zeittafel mit biographischen und bibliographischen Daten.