Die Pfeife


Ich pflege nicht durch die Welt zu rennen, und dabei laut zu verkünden, dass es nichts Größeres als Simenon gäbe. Das entspräche schließlich auch nicht der Wahrheit. Manchmal kommt trotzdem das Gespräch darauf, und es wird rein zufällig entdeckt. So hat ein Kunde, den ich betreue, von dieser Leidenschaft erfahren und erzählte mir kurze Zeit später bei einem Mittagessen (in einer Kantine), dass er gerade von Ustinov »Achtung! Vorurteile« lesen würde und dabei erfahren hätte, das Simenon bald dreihundert Bücher geschrieben hätte. Das Ustinov auch die zehntausend Frauen erwähnt hatte, verschwieg mir der Tipp-Geber allerdings.

Man muss die Art von Ustinov einfach mögen. So wie er auf der Bühne präsent war und erzählte, so sind wohl auch seine Bücher. Man hat beim Lesen seine Stimme im Ohr und ich war natürlich sehr interessiert, was Ustinov über Simenon zu erzählen hatte. Dabei habe ich nicht vorgeblättert, denn ich habe ja nicht nur wegen dieser Passage das Buch gekauft. Das, was er über Simenon zu erzählen hat, ist aber durchaus interessant.

Dass Ustinov Simenon kannte, wundert eigentlich nicht. Schließlich kannte Ustinov beispielsweise Chaplin, ebenso wie Simenon. Das sie in den sechziger Jahren in den gleichen Kreisen verkehrten, verwundert dabei nicht. Hinzu kommt aber noch, dass die Ustinovs zweite Ehefrau Suzanne Cloutier eine entfernte Cousine von Denise Simenon war. Sie besuchten ihn auch in Lausanne. Ustinov schreibt hierzu:

Wenn wir ihn in seinem Haus nahe Lausanne besuchten, tauchten wir in ein Interieur, das so anheimelnd wirkte wie ein Bunker der französischen Maginot-Linie. [...] Zum Glück nahmen wir davon nur wenig wahr, da Simenon das meiste mit seinem Pfeinrauch vernebelte.

Ustinov erlebte Simenon als freundlichen Herren, und erzählt von einem Herren namens Massigli, der französischer Botschafter in London war. Der hatte sich in den Kopf gesetzt, er müsse unbedingt ein Bankett zu Ehren von Simenon ausrichten. Alles was Rang und Namen hatte, wurde eingeladen und wie Ustinov süffisant vermerkt, hatte er nur darauf verzichtet, Simenons Affären einzuladen. Die Suppe war schon kredenzt, da bekam Ustinov mit, wie der Sekretär des Botschafters aufgeregt mit seinem Vorgesetzten tuschelte. Der Botschafter wurde rot und machte sich auf den Weg zu Simenon…

»Herr Simenon, ich erfahre soeben eine wichtige Neuigkeit. Sie sind Belgier?«

»Ja, ich bin Belgier, und zwar immer noch, das steht sogar in Ihren Lexika.«

Daraufhin versucht sich der Botschafter aus der Affäre zu ziehen und setzt seine ganzen Hoffnungen auf Simenons Ehefrau und fragt sie, ob sie wenigstens Französin wäre. Was diese verneinte.

Desweiteren geht es in dem Beitrag in dem Buch, der sich unter der Überschrift Simenon, die Pfeife über knapp vier Seiten erstreckt, um Jean Richard, oder allgemeiner gesprochen, um Maigret. Laut Ustinov hatte sich Simenon Richard selber als Maigret ausgesucht. Das er mit dem Schauspieler nicht zufrieden sei, ist häufiger zu lesen. Dem mochte sich Ustinov anschließen und meint, dass Rühmann, Laughton und Gabin besser gewesen wären. Meint allerdings auch.

Nur, Simenon hat vergessen, sich an die eigene Nase zu fassen. Nicht jeder seiner Maigrets nämlich war das Gelbe vom Ei. Ich finde ihn in seinen dezidiert literarischen Büchern oft besser als in seinen Krimis.

Ich mag mich dem Urteil Ustinovs anschließen, der Simenons »Brief an die Mutter« herausragend findet. Allerdings merkt man, dass auch Ustinov nicht alle Non-Maigrets von Simenon gelesen hat. Aber wer erwartet das auch?

Auch ohne die Ausführungen über Simenon ist das Buch von Peter Ustinov sehr interessant zu lesen, witzig und unterhaltsam. Es bestärkt mich in dem Eindruck, dass Ustinov ein Mensch war, dem man einfach nichts übelnehmen konnte. Ein Ausnahme-Mensch.