Junger Mann in London mit Revolver

Herr statt Monsieur


Wie auch das Gelbe-Hund-Hörspiel ist dieses Stück nach dem Roman »Maigret und sein Revolver« aus der Serie des Bayerischen Rundfunks, die damals unter dem etwas komischen Reihen-Name »Maigret und ...« lief. Das hat bei den sechs Adaption vom Titel ganz gut geklappt. Hoffentlich wurde Reihe nicht aufgegeben, weil Konflikte bei zukünftigen Titeln erwartet wurden.

Tontechnisch sind die beiden bisher gehörten Stücke im allerbesten Zustand. Vielleicht haben Zuhörer:innen zu Beginn einer Sendung eine Chance zu hören, dass es sich um ein älteres Stück hört. Die Ansage des Stückes würde heute nicht in dieser Form und mit diesen Formulierungen vorgenommen werden. 

Eingetaucht in die Geschichte gibt es ein klar hörbares Indiz, in welcher Zeit eine Geschichte produziert worden ist: Wie bei den Übersetzungen von Kiepenheuer & Witsch erfolgt auch in diesen Produktionen die Anrede der Leute mit »Frau« und »Herr«, statt wie mit Beginn der Diogenes-Ära in der »Madame«- und »Monsieur«-Form. Aus heutiger Perspektive wirkt das sowohl bei den Büchern wie auch in den Hörspielen sehr befremdlich, wenn nicht die Sprachkolorit übernommen wird. Es ist ein wenig so, wie wenn sie statt Quai des Orfèvres sagen würden: »Bitte lass uns zum Kai der Goldschmiede fahren!« oder »Heute gab es wieder eine Schießerei auf dem Märtyrer-Hügel. Inspektor Januar ist schon da.«

Vielleicht lässt sich das Alter der Rundfunksendung auch daran festmachen, dass Begriffe wie »Bildfunk« verwendet werden, die heute Fragezeichen ins Gesicht zaubern: Was für eine Technik ist damit nur gemeint? (An der Stelle bleiben Sie aber noch verschont, aber es ist schon für später notiert, dass dem Thema nachgegangen werden muss.)

Keine Politik

Opfer mussten in der Geschichte sowohl Maigret wie auch ein Abgeordneter namens Delteil bringen. Während der Kommissar nur bestohlen wurde – der namensgebenden Revolver wurde aus seinem Wohnzimmer gestohlen –, hatte der Abgeordnete ein größeres Opfer zu bringen: Er wurde erschossen und seine vorerst letzte Ruhestätte fand er in einem großen Koffer, der in der Gepäckaufbewahrung des Gare du Nord platziert wurde.

Für den Buch-Maigret war das eine große Sache: Denn der Abgeordnete war nicht irgendwer, es war ein Mann der Stunk machte. Delteil war dafür bekannt, dass er den Leuten auf die Füße trat. Die Verantwortlichen in der Politik waren nicht begeistert, dass für den Mann ein solch Abgang gewählt wurde – zumal sie anfangs nicht wussten, was das Motiv für den Tod von Delteil war.

Der Radio-Maigret in Form von Paul Dahlke kümmerte sich um den Politik-Aspekt überhaupt nicht. Das Persönliche dominiert den Fall – es gibt die Verbindung Dr. Pardon – Lagrange – Delteil, die tangiert wird von der Verbindung Maigrets Revolver – Sohn von Lagrange – und eventuell auch Delteil. Der frischbewaffnete Sohn, ein Jüngling, gar nicht einmal so unsympathisch, wenn man Frau Maigret glauben darf, war hinter einer gemeinsamen Bekannten von Delteil und seinem Vater hinterher und verfolgte sie bis nach London.

Für Maigret ist das die Gelegenheit, mal wieder nach Inspektor Pyke von Scotland Yard zu schauen.

Zusammengeführt

Ein bisschen komisch ist es, als Maigret nach London soll. Es ist sein Schul-Englisch, was nicht besonders war, was hier thematisiert wurde. Unwillkürlich fragt man sich, wie er sich bei seinem ebenfalls thematisierten USA-Besuch durchgeschlagen hatte – der gestohlene Revolver war ein Geschenk der dortigen Kollegen.

In der Besetzung fällt der Name Elmar Wepper auf, der hier in seinen jungen Jahren einen Liftboy sprach. Andere prominente Namen sind mir an der Stelle nicht untergekommen.

Die Geschichte funktioniert auch ohne die Politik. Dass Gert Westphal in seiner Bearbeitung diesen Strang eliminiert hat, tut der Geschichte keinen Abbruch. In der Zeit, die zur Verfügung steht – etwa 55 Minuten – ist auch kaum Zeit für mehr Handlungsstränge gewesen. Dass wieder sehr schnell gesprochen wird, fiel mir diesmal  kaum noch auf. Die Regie führte erneut Heinz-Günther Stamm.