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Der zweite Streich: Der Brief
Es gibt von Daniel Pennac dieses wunderbare Buch über das Lesen (»Wie ein Roman«), in dem er ein Grundrecht des Lesers postuliert: Wenn es einem ein Buch nicht gefällt, hat man als Leser das Recht, das Buch zur Seite zu legen. Der Text »Brief an meine Mutter« ist der aufregendste und rührendste autobiographische Stück, dass Simenon hinterlassen hat. Das neue Hörspiel des NDR habe ich nicht zu Ende gehört.
Man wollte wohl unbedingt ein Hörspiel daraus machen und als ich mir die Produktionsdaten angesehen habe, bemerkte ich, dass es nur einen Protagonisten in dem Hörspiel gab – den Erzähler. Also wird nur vorgelesen? Es werden keine Szenen daraus gemacht, kein Hörspiel, wie ich es verstehe?
Warum denn das? Vorgelesen gibt es diesen Text schon zweimal. Hier musste man sogar kürzen, denn diese Produktion ist nur eine Stunde lang, wie übrigens auch die Hörbuch-Fassung von 2003. Der Audio-Verlag brachte den Titel vor zwei Jahren als Hörbuch heraus und ungekürzt wurde der Text in zwei Stunden vorgelesen. Ich fand im Vorweg keine Antwort auf die Frage.
Töne
Der Vorleser Werner Wölbern begann den Text zu lesen. Angenehme Stimme, richtiges Tempo. Für mich passte das. Dann setzte Musik ein, sanft im Hintergrund und ich dachte mir: »Hah, das ist die Hörspiel-Komponente!«
Es ist nicht der Stil der Musik, denn ich mag minimalistische Musik wie die von Ludovico Einaudi oder die (häufig) elektronische Variante von Künstlern wie Ólafur Arnalds. Oft findet man die Art von Untermalung auch in Filmen, weshalb ich recht viel Filmmusik höre.
Während der Text charmant vorgetragen wurde, pirschte sich die Musik von hinten heran – wird manchmal lauter, oft auch unharmonisch. Sie soll die Geschichte beschreiben, die Dramatik unterstützen, Dynamik erzeugen. Das verstehe ich nur zu gut. Allerdings ist es nicht so, dass der Text von Werner Wölbern monoton vorgetragen wird. Seine Stimme passt sich hervorragend an die Situationen in der Geschichte an. So tat die Sound-Untermalung nur eines: Sie nervte. Mich lenkte sie vom Text ab.
Eine halbe Stunde habe ich durchgehalten. Dann kamen sanfte Paukenschläge und mir wurde es zuviel. Ich habe von meinem Recht als hörender Leser Gebrauch gemacht und abgeschaltet.
Alternativen
Keinen Zweifel: Es wird sich ein Publikum finden, dass diese Art der Interpretation mag. Allen anderen seien die Hörbücher empfohlen oder der Griff zum Buch. Der Text ist es in jedem Fall wert.
Regie und Bearbeitung erfolgte durch Elisabeth Weilenmann, die Musik komponierte von Fatima Dunn.
Link zum NDR-Hörspiel (verfügbar bis 1.12.2021)