Wochenendliche Presseschau


Es haben sich drei Punkte angesammelt, die noch zu erwähnen sind. Da sie jeweils kurz sind und ich (leider) auch nicht allzuviel Zeit habe, werden sie hier nur kurz angerissen. Vor 85 Jahren wurde Simone Signoret in Wiesbaden geboren. Eine fantastische Schauspielerin, keine Frage. Gut ist mir ihre Darstellung der Witwe Couderc in Erinnerung. Wie man aber auf den Satz beim WDR kommt, ist mir dann doch ein Rätsel:

In Deutschland wird sie vor allem durch die Maigret-Verfilmung “Die Katze” noch einmal populär.

Simenon ist gleich Maigret und umgekehrt – oder?
Wie Öl geht einem dann ein Satz herunter, wie man ihn beim Standard lesen konnte. Dort wird im Zusammenhang mit der von mir sehr geschätzten Fred Vargas gesagt:

Hauptschauplatz ihrer Geschichten ist zumeist Paris, das damit erstmals wieder seit den Tagen von Simenons Maigret überzeugende Kulissen für Tatorte liefert.

Fein, stimmt aber leider auch nicht. Denn man tut der französischen Kriminalliteratur mit diesem Satz unrecht. Wie sieht es denn mit Léo Malet und Jean-Patrick Manchette aus? Siehste, eben!

Franz Schuh hat sich an die Quellen begeben, besser gesagt, an die Heilquellen (der Link ist mit Vorsicht zu genießen, spätestens im Mai dürfte er nicht mehr aktuell sein). Ziel seiner Beobachtung ist der Maigret-Roman »Maigret in Kur«. Er beschreibt kurz den Inhalt und stellt dann fest:

Ich würde die Übersetzung noch einmal überarbeiten: «Er ging davon, indem er sich eine neue Pfeife stopfte.» Ich gehe davon, indem ich ein Bein nach dem anderen bewege. Aber ich werde es mit der Pfeife versuchen, das kann nur gut tun bei den höllischen Rückenschmerzen, die ich jetzt – nach meiner Kur – habe: falsche Therapie, was Maigret nicht passieren konnte, weil er von dem ganzen Zirkus des Kurens nur zwei Gläser Heil-Wasser pro Tag genoss.

Uups, denkt man sich, da muss man noch mal nachschauen. Mir ist es nicht aufgefallen, und ich habe das Buch auch erst vor kurzem in der neuen Übersetzung gelesen. Vielleicht lag mein Augenmerk auch auf anderen Punkte. In einem Punkt stimme ich mit Franz Schuh überein. Das Buch ist betulich, aber ich finde, Vichy ist auch sehr betulich. Insofern nehmen sich der Maigret und der Ort nichts. Abschließend soll der Rezensent noch einmal das Wort erhalten:

Ich wollte das Buch empfehlen: Kriminalliteratur für ältere Herrschaften. Aber ich habe es überschlafen. Gewiss, die Erzählung hat etwas ältlich Betuliches. Gewiss schlägt auch hier, wie eben nur bei Simenon, an manchen Stellen die handwerkliche Virtuosität durch und, wie bei ihm nicht selten, stehen solche Stellen im Buch allein da. Aber ich denke, das Buch ist großartig, weil durch die Mängel hindurch im Leser ein Bild erscheint, das von einer Alptraumlogik gezeichnet ist: Die uralten Seelentriebe, Täuschung, Schuld, Gier, werden so variiert, ja, montiert, dass ihr archaischer Charakter höchst wirksam, aber unauffällig bleibt. Da wurde ein Mensch in eine Lebenslüge hineinmanipuliert, und durch einen Zufall im Kurpark sah er plötzlich eine Chance herauszubekommen, welcher Wahrheit oder welcher Lüge er diente. Im Rückblick erscheint mir Simenons Verknüpfung von Zufall und Zwangsläufigkeit genial. Der Mord hat eine solche Logik, dass Maigret dem Mörder, den er gerade gestellt hat, eines wünscht: «Ich hoffe, er wird freigesprochen …»