Bevor es düster wird, fange ich mit einem beschwingten Thema an: Simenon lässt sich zu Beginn des 41. Kapitels darüber aus, wie wohl er sich auf der Shadow Rock Farm fühlte und wie sehr ihn Land und Leute faszinierten. In seinen Worten: Er war zu Hause. Das Gefühl hatte er lange Zeit nicht mehr gehabt, schon gar nicht in Amerika. Aber nun war er bereit, sich einbürgern zu lassen.
Kollektionen sind für Konsumenten eine praktische Sache: Normalerweise bekommen sie für einen günstigen Preis viel Ware. Für die, die sich wirklich interessieren, ist das Zug aber in der Regel schon abgefahren, denn sie haben sich aufgrund ihrer Ungeduld schon bei den Einzeltiteln versorgt. Das dürfte auch bei den beiden PIDAX-Kollektionen der Fall sein, die jüngst erschienen sind.
Die Geschichten von Simenon, bei denen das Gefühl aufkommt, dass sie an den Haaren herbeigezogen sind, der Realismus in der Handlung mit der Lupe zu suchen ist, solche Geschichten sind rar. Einzelne Aspekte kommen einem befremdlich vor, das liegt schon an den gravierenden gesellschaftlichen Änderungen. Aber wie schaut es mit den Dialogen aus, mit dem Umgang?
François Donge hatte sich beim Rechtsanwalt seiner Frau eingefunden, der den Fall mit ihm besprechen wollte. Maître Boniface war ein Advokat alter Schule und wollte das Beste für die Ehefrau des Angeklagten, die bekanntermaßen ihren Ehemann vergiftet hatte, herausholen. Unwillig war der Unternehmer nicht und so unterstützte er die Vorbereitungen des Anwaltes nach Kräften.
Die Scheidung von Tigy war erst vor kurzer Zeit rechtsgültig geworden. Simenons finanzieller Spielraum war durch die mit seiner Ex-Frau geschlossenen Vereinbarungen eingeengt. Er selbst schreibt, dass er zu dem Zeitpunkt beinahe mittellos gewesen sei. Bevor die Leser:innen sich zu viele Sorgen machen: Hätte er gejammert, was er nicht tat, wäre das Jammern auf sehr hohem Niveau gewesen.
Nachdem Simenon das erste Mal aus dem Maigret-Geschäft ausgestiegen war, probierte er sich an längeren Geschichten. »Das Testament Donadieu« fällt da sofort ins Auge oder auch »Ankunft Allerheiligen«. Zu ersterem Roman gibt es, was für das Simenon-Universum sehr untypisch ist, auch eine Fortsetzung: »Der Bananentourist« erschien 1937.
Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Vielerorts wird Resümee gezogen. Das will ich mir ersparen, denn so produktiv es in Hinsicht auf die Webseite gewesen ist, persönlich war dieses Jahr nicht berühmt – weder am Anfang, schon gar nicht in der Mitte und zum Jahresende ist es leider nicht besser geworden. Stattdessen wird es ein kleiner Ausblick.
In dem Moment, in dem Bilder aus der eigenen Vorstellung mit der Realität zusammenkommen, ist oft Enttäuschung angesagt. Was hatte ich mir beim Lesen der Lütticher Romane Simenons unter der Kirche Saint-Pholien vorgestellt? Vermutlich ein unauffälliges, etwas spuckiges Bauwerk. Davor stehend werden viele Besucher wohl enttäuscht sein.
Die Simenons hatten sich auf den Weg nach Lakeville gemacht. Sie vertrauten darauf, dass sich etwas finden würde. Ein Makler war beauftragt, ein passendes Anwesen zu finden, während sie zur Miete wohnten. Noch waren die drei mit leichtem Gepäck unterwegs, aber Tigy als Ex-Frau war schon informiert worden, dass ihre neue Heimat die nordwestlichen Ecke von Connecticut wäre.
Wer durch Lüttich auf den Spuren von Simenon spaziert, wird Brücken nutzen müssen. Die Maas ist – salopp formuliert – immer im Weg. Eine Brücke, die Spuren auch im Werk des Schriftstellers hinterlassen hat, ist die »Pont des Arches«. Sie liegt auf dem Weg vom Marktplatz der Stadt, an der Simenon-Statue und dem Geburtshaus vorbei in Richtung Outremeuse.
Früher wusste in Frankreich wahrscheinlich jedes Kind, was mit Scaferlati gemeint war. Nicht unwahrscheinlich, dass man die Kleinen zum Krämer ums Eck schicken konnte, um noch mal ein Päckchen zu holen. Heute? Eher nicht. Und dass ein deutscher Nichtraucher einen Plan haben könnte, worum es sich handelt, ist noch ein Stückchen unwahrscheinlicher.
Nun besteht jedes Kapitel in diesem Buch aus Plaudereien von Simenon. Mir sind die am liebsten, in denen der Belgier mir Fakten vor die Füße wirft. Was war das für ein Auto? Wer soll Fahrradhändler gewesen sein? Was war das für ein Hotel, in dem der Schriftsteller nächtigte. Mit mir macht es das gleiche wie eine mit Baldrian eingesprühte Spielzeugmaus mit Katzen.