Wer geriet da eigentlich in die Fänge von wem? Hatte Maigret mit Van Damme einen Fang im Bremer Leichenschauhaus gemacht oder war es der Belgier, der sich freuen konnte, mit dem Kommissar eine gute Beute erzielt zu haben. Denn Van Damme war es, der Maigret unbedingt in die Geschäftswelt von Bremen einführen wollte, mit seinen Bekanntschaften und seiner Firma prahlte.
Vor nicht allzu langer Zeit wurden hierzulande Verkehrsschilder geändert. Von dem Hinweiszeichen für Bahnübergänge verschwand die dampfende Lok, da diese heute im »Schienenbild« nur marginal vertreten sind. Richtig so, aber wie schaut es auf Buch-Covern von Maigrets aus? Auf der Red Eye-Ausgabe des Bergerac-Romans wurde Maigret mit einer Elektro-Lok abgebildet.
Wie das denn mit dem Kalender auf Maigrets Schreibtisch wäre, der beispielsweise in den Filmen zu sehen wäre, lautete unlängst eine Frage an mich. Ehrlich gesagt, war ich verwirrt: Der Kommissar war kein Kalender-Typ. Ganz so einfach war es jedoch nicht, denn der Kalender ist für einen Chef wie ein Maigret ein wichtiges Arbeitsutensil und manchmal bei Fällen hilfreich.
Da hatte einer nachgerechnet! Das Buch und die Hörspiele nach der Geschichte »La guinguette à deux sous« liefen als »Maigret und die Groschenschenke«. Warum eigentlich? Ganz einfach: Den Sou gab es als Währung in Frankreich schon seit 1795 nicht mehr, aber im Volksmund galt er für das 5-Centime-Stück. Die zwei Sous aus dem Originaltitel ergaben einen Groschen.
Was für ein Ritt! Nach dem Lesen dieses Kapitel musste ich schauen, ob Simenon wirklich die übliche Seitenzahl »eingehalten« hatte. Geht es anfangs beschaulich um Nachbarn in Lakeville, wechselt Simenon im Verlauf zu seinen Eskapaden in New York und einer Love Boat-Überfahrt nach Europa, um schließlich seine triumphale Ankunft in Frankreich zu beschreiben.
In den 1980er-Jahren sah es nicht so gut aus: Die Supermächte rüsteten hoch und mühten sich trotzdem den kalten Krieg auf Temperatur zu lassen. Die Neue Deutsche Welle irritierte die europäischen Nachbarn. Die Russen hatten ihre Atomkraftwerke nicht im Griff. Waldsterben. Weltuntergangsstimmung. Eine gute Gelegenheit für eine »Krisenbibliothek der Weltliteratur« von Diogenes.
Würden wir Bremen in Bezug auf Maigret nur mit dem Leichenschauhaus und dem Hauptbahnhof verbinden – es wäre ein Jammer. Deshalb bin zumindest ich dankbar, dass Simenon den Leser:innen einen weiteren Brocken hingeworfen hat. Bei der Fahrt Maigrets durch Bremen, die er in van Dammes Auto absolvierte, sah er das Geschäftsgebäude einer großen Firma: Norddeutscher Lloyd.
Der Titel ist eindeutig irreführend. Genau genommen ist es ein »Blicklein«, denn was auf der Karte abgebildet wird, stellt nur ein Bruchteil dessen da, was an Information in den Büchern von Simenon noch schlummert. Der Gedanke dahinter war: Was wäre, wenn man durch Paris schlendert und eine Karte im Zugriff hätte, die einem Hinweise zu Markern aus den Geschichten gibt. Wäre das nicht nett?
Franzosen könnten aus einem Telefonbuch vorlesen, meinte meine bessere Hälfte bei verschiedenen Gelegenheiten, es würde trotzdem sexy klingen. Lässt man das wenig poetische »Merde« außen vor, so hört sich jedes französische Wort toll an. Ein »Non« klingt nicht so hart wie ein deutsches »Nein« und ein »Oui« besser als das Pendant bei uns, bei dem man auch ein »jawohl« davor setzen könnte.
Lagrange, der dicke Mann aus der »Revolver«-Geschichte, wurde in eine Decke gehüllt abgeführt. Nicht ohne Gegenwehr. Auch Ernestine Jussiaume hatte bei der ersten Begegnung mit dem Kommissar ihre eigenen Vorstellungen und es brauchte sanften Druck, um sie zum Mitkommen zu bewegen. Im Hörspiel nutzte Maigret eine Trillerpfeife – überhaupt nicht zu ihm passend.
Schlägt man eine Regionalzeitung auf oder begibt sich auf die entsprechende Online-Präsenz, hat man oft den Eindruck, die Welt wäre schlechter. Nicht, dass die Informationen in den Überregionalen besser wären, aber die bösen Nachrichten in der Lokalpresse spielen sich oft vor der eigenen Haustür ab. Schlechte Botschaften von damals als Trost heute – ob das funktioniert?
Als Kind habe ich Reisen im Wohnzimmer unternommen. Dazu zählten jetzt nicht die, bei denen der Tisch zu einer Lok umfunktioniert wurde. Es waren die, bei der ich mir einen Meyers-Band schnappte, die Leipziger Edition, und Lemma eroberte. Ständig musste ich die Bände tauschen, um den Spuren zu folgen. Heute ist das einfacher, der Bände-Tausch höchstens mit Sprachwechseln vergleichbar.