Kommissar Maigret


Geblieben ist nur der Schulbuchverlag und die Druckerei. So mag der Name dem einen oder anderen Schüler etwas sagen, aber als großartige Monatspublikation ist »westermann« wohl wenigen in Erinnerung. Das Heft lieferte auf knapp hundert Seiten eine Mischung unterschiedlichster kultureller und wissenschaftlicher Beiträge und von Erzählungen. Im Heft Juli 1965 ging es zum Beispiel um Gemälde von Max Pechstein, Forschung im Atomzeitalter und ... das fleißige Leben des Georges Simenon.

Jean Améry (eigentlich Hans Maier) wurde 1912 in Wien geboren. Nach einer Buchhandelslehre studierte Améry Literaturgeschichte und Philosphie und betätigte sich als Journalist. Gemeinsam mit Ernst Mayer gab Améry ab 1924 die Zeitschrift Die Brücke heraus, ein Jahr später erschien sein erster Roman. Mit der Machtübernahme Hitlers sollte sich das Leben Amérys nachhaltig ändern. Nach seiner Flucht nach Belgien nahm der Schriftsteller am dortigen Widerstandteil. Aufgrund dieses Engagements und sicher auch wegen seiner jüdischen Abstammung wurde er in Konzentrationslagern interniert. Améry hatte sich in seinem Essay Hand an sich legen ausführlich mit dem Selbstmord auseinandergesetzt – 1978 setzte er seinem eigenen Leben ein Ende.

1965 erschien in dem Magazin »westermann« der reichlich bebilderte Titel über die rastlose Arbeit Simenons. Améry beschreibt in diesem Artikel die verschiedensten Facetten Simenons: von seinem Aussehen (»vage intellektualisiertes Gesicht«) über die Arbeit bis hin zu Simenons Lebensstil, natürlich nicht ohne die Biographie aus den Augen zu verlieren. So schreibt Améry: »Er ist von einer Bescheidenheit, die ein Schriftsteller sich erst erlauben kann, wenn er sehr viel Geld oder einen sehr großen Namen hat – oder beides.« Dabei macht Améry keinen Hehl daraus, dass es Simenon im Gespräch verstanden hatte, das Interview in ihm genehme Richtungen zu lenken. Passte dem Maigret-Erfinder ein Thema nicht, so wich er diesem einfach aus.

Simenon war damals in Deutschland gleichbedeutend mit Maigret, die meisten Leser sahen Simenon als Kriminalschriftsteller. Améry, der Simenon als »Romancier des Tragischen« bezeichnet, kommt selbstverständlich an Kommissar Maigret auch nicht vorbei. Einen breiten Raum nimmt in dem Artikel allerdings das Non-Maigret-Schaffen Simenons ein.