Bildnachweis: Simenons Unterschrift – maigret.de
Seite 487
Familie Simenon hatte sich auf den Heimweg gemacht, und was soll ich sagen: Auch in Lakeville gab es gleich Neuigkeiten, die man durchaus als aufregend bezeichnen darf. Aber bevor wir zu diesen kommen, sollen noch zwei Fragen geklärt werden: Was war auf dem Empfang los, an dem auch Henriette Simenon teilgenommen hat und wer war der beste Freund von Georges?
Während des Lüttich-Aufenthaltes gab es einen Empfang auf Ansembourg. Die Stadtväter empfingen dort mit Vorliebe ausländische Gäste. Simenon bemerkte, als ihm das erklärt worden war, dass er kein Ausländer wäre. Das wurde von einigen anders gesehen, aber er blieb immer Belgier und fügte an der Stelle nicht an, dass sich das mittlerweile geändert. Einmal Belgier, immer Belgier. Das bestätigte er im übrigen auch gegenüber seiner Mutter im gleichen Kapitel.
Und ganz nebenbei: Es geht immer um Belgien, Simenon betont nicht, dass er Wallone wäre. Das ist in Zeiten wie diesen ein interessanter Aspekt.
Darum soll es aber gar nicht gehen, sondern um die Szene:
Gedanken habe ich mir darüber nicht gemacht. Warum sollte das Simenon berühren? Das hat sich mir nicht erschlossen. In diesem Kapitel kam er darauf noch einmal zurück. Er schrieb:
Hatte sie vielleicht. Aber warum sollte das nun seine Mutter gejuckt haben? Offenbar, weil es in der westlichen Tradition die Frau eines Mannes an seiner rechten Seite Platz nimmt. Diese Gepflogenheit stammte aus der höfischen Etikette und war besonders in der viktorianischen Zeit beliebt. Die »rechte Seite« wurde als Ehrenplatz angesehen, und es war üblich, dass die Gastgeberin oder die Ehrendame des Abends diesen Platz einnahm. Ob das in diesem Fall nun die Mutter oder die Ehefrau war – darüber konnte man unterschiedlicher Meinung sein. Im Zweifel würde ich sagen »Alter vor Schönheit« – aber hier ging es wohl um Macht. Auf diesen Aspekt soll an anderer Stelle in diesem Beitrag noch zurückgekommen werden.
Ein weiterer Nachklapp aus dem vorherigen Kapitel war die Frage: Wer war der beste Freund von Simenon? Hatte Georges überhaupt einen solchen? Ich war mir da nicht sicher. Die Frage resultierte aus der Tatsache, dass er in seinen Erinnerungen das Wort »Freund« sehr großzügig verwendete.
Er traf hier Freunde, er traf da Freunde. In Paris, in Lüttich, einfach überall.
Das kollidiert mit meiner Vorstellung von Freund. Mit diesem »Titel« bin ich immer schon sehr vorsichtig umgegangen und benutze ihn nicht inflationär. Und bei »bester Freund« bin ich noch eine Schippe konservativer.
Maurice Garçon war beispielsweise sein Freund. Das stimmt vielleicht, da er über die Freude, mit ihm zu speisen, total vergessen hatte zu erwähnen, dass ihn besagter Pariser Anwalt zu der gleichen Zeit anwaltlich vertreten hat. Victor Moremans war natürlich auch ein Freund – keine Frage. Und die Liste ließe sich schon aus dem vorherigen Kapitel zu einem ganzen Absatz erweitern.
Wie erwähnt hatte ich Zweifel, was einen besten Freund angeht. Die Memoiren von Simenon geben jedoch eine erstaunlich präzise Antwort, wenn nach diesem Begriff gesucht wird: Jean Renoir. Das ist die Antwort, die Simenon (ungefragt) auf diese Frage gibt. Und er verwendet das Attribut »bester« für keinen seiner anderen Freunde. Es ist Renoir. Der Filmemacher ist kein Jugendfreund des Belgiers, es sei denn, man legt den Jugendbegriff sehr frei aus.
Nachdem diese Fragen geklärt sind, soll es im Text weitergehen.
Alltag nach dem triumphalen Ausflug
Das Kapitel beginnt mit einem Exkurs über Marc. Dieser wird von seinem Vater in den höchsten Tönen gelobt, hervorgehoben wird nicht nur seine Sportlichkeit, sondern – etwas irritierend – auch seine vielversprechenden Versuche in Sachen Sexualität. Darf man den Worten seines Vaters glauben, war er noch früher dran als der Herr Papa.
Ich wollte gerade über Drüsen sprechen und wurde prompt abgelenkt. Denn eben hatte er noch über die neue Angestellte der Simenons berichtet, mit stolzen Brüsten und nun in den Diensten von Denyse, da war er thematisch zu Stinktieren gewechselt, die man unter Umständen als Haustier halten konnte. Und Ochsenfröschen.
Es geht etwas durcheinander: Das Zimmermädchen stammte aus der Normandie und war wohl nett anzuschauen. Warum hatte ich an der Stelle das Gefühl, dass Simenon auf die junge Frau nochmals zu sprechen kommt?
Er war schnell wieder bei Marc, der einen guten Freund gewonnen hatte, der aus einer Bestatterfamilie stammte. Damals war es nicht ungewöhnlich, dass man die Verstorbenen einbalsamierte und in einem Sessel drapierte. Sprach mit einem Arbeitskollegen darüber und er bestätigte, dass er das auch im Fernsehen gesehen hatte. Wäre eine schöne Gelegenheit gewesen, ein letztes gemeinsames Foto mit dem Verstorbenen zu arrangieren. Heute ist das weniger üblich, denn eine Quelle habe ich dazu auf die Schnelle nicht gefunden. Mir reicht es an der Stelle, dass es ein Freund im Fernsehen gesehen hat – das muss genügen.
Marc wurde in der unweit gelegenen Hotchkiss School vorgestellt. Das war Schule und Internat in einem, und es hätte keine Rolle gespielt, ob der in der Nähe wohnt. Bei einem Besuch der Schule hatte man auf dem Gelände zu leben.
Wir werden als Leser:innen schonend auf Jeanine vorbereitet, aber bevor wir mehr erfahren, schweift Simenon nach zwei Sätzen ab und ist bei seiner Mutter. Ein Problem wäre, dass er kaum Notizen hatte, die hatte er nicht mehr gepflegt. Der Grund, den er dafür ausmacht, war Ehefrau Nummer 2. Denn ganz früher hätte er sich einiges notiert, aber die Notizen wären von Denyse verbrannt worden. Diese hätte zwar kein Problem damit gehabt, dass er mit anderen Frauen herumhurte und war auch nicht eifersüchtig auf den Sex, den er außerehelich hatte, allerdings war sie sehr sensibel in Sachen Mutter und Ex-Frau sowie Boule. Und auf die Geschichte Simenons, die vor ihr spielte. Deshalb hätte sie versucht, alle Spuren dahingehend zu beseitigen.
Mutter kommt!
Der Besuch der Mutter stand vor der Tür. Denyse hatte aber noch eine andere Überraschung in petto: Sie war wieder schwanger! Erst hatte sie nur eine Ahnung, aber schnell holen sich die beiden eine Dritt-Meinung ein. Der örtliche Gynäkologe bestätigte alsbald, dass der Verdacht mehr als ein solcher wäre.
Er pries bei der Gelegenheit die schöne Geburtsklinik an, die er mit ein paar Freunden betrieb und die einen exklusiven Charakter hatte.
Wahrscheinlich war diese Perspektive des Arztes so herum besser.
Simenon schildert noch die hübsche Atmosphäre in dem Hospital und ist voll des Lobes über die Mediziner, bevor ein interessanter Satz kommt:
Diese direkte Ansprache an Marie-Jo erscheint deshalb merkwürdig, da sie zum Zeitpunkt der Entstehung schon fast zwei Jahre tot war – sie hatte sich am 20. Mai 1978 umgebracht. Nach den Informationen, die sich so finden lassen, begann Georges Simenon im Februar 1980 mit dem Schreiben von den »Intimen Memoiren« – auf alle Fälle aber im Laufe des Jahres 1980.
Das ist aber nur ein kleiner Punkt, über den man beim Lesen stolpert. Im Folgenden behält Simenon diese Ansprache wie bei den anderen Kindern bei.
Zu dem Zeitpunkt ahnte Simenon es schon: Es würde ein Mädchen werden.
Sprung in der Gedankenwelt Simenons: Er war wieder bei den Damen. Seiner Meinung nach war Denyse der Ansicht, dass er nur Frauen mochte, die gut proportioniert waren. So wie Madame Maigret. Sie jedoch war nicht derart gebaut, aber die Schwangerschaft gab ihr temporär Formen, die ihr Ehemann ansprechend fand. Halten wir kurz das fest, was Simenon glaubte, was seine damalige Frau dachte:
Warum meinte Simenon nur, dass sie das glauben würde, wo er doch direkt anschließend bekennt?
Nun! Simenon wechselte das Thema erneut und berichtete von der Ankunft seiner Mutter. Die holländische Linie hatte sich als Glücksfall erwiesen. Sie mochte es, und die Leute auf dem Schiff mochten sie auch. Besser konnte es nicht sein. Sie war nicht beeindruckt von dem Land – weder von den technischen Errungenschaften noch von der Natur. Henriette Simenon war einfach wie sie war.
Sie war in den einfachsten (unmodischsten, abgetragensten – jedes beliebige abschätzige Adjektiv für Kleidung kann wohl eingesetzt werden) Klamotten in die USA gekommen. Nicht etwa, weil sie in dem Land die alten loswerden wollte, um sich günstig in Outlet-Stores einzukleiden und den günstigen Dollarkurs auszunutzen – denn gefühlt war das nicht der Fall (wir reden über einen Kurs von 1 Dollar = 4,20 DM). Sie musste aber nicht in eine Mall. Ihr Sohn war reich und die Schwiegertochter hatte Geschmack, die kleideten sie auch so neu ein.
Dies wollte Henriette gar nicht. Zwischen ihr und Denyse begann ein Kampf um ein altes Korsett. Jeden Tag schmiss es die Schwiegertochter in den Müll, und prompt wurde er von der Besitzerin aus einer Mülltonne geklaubt. Bis Denyse es verbrannte. Dann war Ruhe.
Eigentlich verstand Henriette nicht, wie man so reich sein konnte. Die ganzen Angestellten, die für die Familie Simenon arbeiteten. Hier haben wir wieder das Thema, das den Sohn einen großen Teil des Lebens beschäftigen sollte: das Misstrauen seiner Mutter gegenüber seinem Wohlstand.
Und er? Wie sah er das? Wenn man mal etwas zum Lächeln haben möchte, dann hilft diese Passage:
Im Herzen vielleicht schon, Sympathie hat er auch für sie gehabt – keine Frage. Aber so gelebt hat er nicht. Spätestens seit dem Ende der 1920er-Jahre war Simenon weit weg von den kleinen Leuten. Und damit auch von dem Alltag, wie es Henriette den größten Teil ihres Leben leben musste.
Das immerhin hatte Simenon verstanden. Er wusste, warum sich seine Mutter so verhielt. Ganz anders als Denyse, die aus einer begüterten Familie stammte. Und oder es auch deshalb nicht verstand, weil es nicht ihrem Naturell entsprach.
Zuhause in Lüttich war Henriette Simenon aber aufgrund ihres Sohnes eine Persönlichkeit geworden. Sie wurde zum Beispiel zu Theaterveranstaltungen eingeladen und dann auch von zu Hause mit einem Auto abgeholt.
Nun, aber hier bei ihrem Sohn hielt es sie nicht so lange, wie es geplant gewesen war. Das war nicht ihr Leben. Ihr jüngster Enkel sprach mit ihr nicht Französisch – obwohl er es können sollte – und dann gibt es eine kleine Überraschung in Sachen Rückkehr:
Zum einen ist es sehr erstaunlich, dass die alte Frau ein Flugzeug nehmen wollte. Und zum anderen fragt man sich: Warum hatte Simenon denn nicht ein Flugzeug für die Hin- und Rückreise nach Europa genutzt? Und warum flog er nicht häufiger mal nach Hause?
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Durch einen kleinen Fehler in der EBook-Ausgabe der Memoiren bin ich einem Verständnisfehler aufgesessen, denn da heißt es:
Da ich unglücklicherweise die Abführungszeichen zuvor überlesen hatte, war ich völlig falsch abgebogen und dachte nun, dass es eine Sorge von Denyse war, dass das Kind an einem 3. Februar geboren werden würde.
Das löste eine hektische Suche nach dem Geburtsdatum von Denyse Simenon geb. Ouimet aus. Nirgendwo war der 3. Februar genannt. Und ich wunderte mich wirklich schwer.
Aber da es zuvor auf diesen Seiten nicht gesagt worden ist: Denyse Marie Pauline Françoise Ouimet, später dann Denyse Simenon, und schließlich schlicht D. wurde am 14. Mai 1920 in Ottawa geboren.
In meiner Buch-Ausgabe von Diogenes, die auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat und in der ich das Kapitel ursprünglich las, ist vom 13. Februar als Geburtsdatum die Rede. Womit sich einerseits die Frage auftut: Wann ist denn dieser blöde Fehler in den Text gekommen? Jedoch gleichzeitig auch die Frage geklärt ist, welchen Tag Simenon zu seinem Geburtstag erklärt hat: Es ist der 13. Februar.
Zu Lebzeiten von Simenon gab es schon einen Verwandten, der den Vornamen Georges trug. Sein Bruder Christian hatte seinen Sohn so genannt. Simenon nach, glaubte dieser, er würde ihm damit eine Freude machen. Ob er das Herz seines Schriftsteller-Bruders damit wirklich erfreute, geht aus dem Text nicht hervor. Aufgrund der Tatsache, dass es dieser Passage an Freude fehlt, ist davon auszugehen, dass das eher nicht der Fall war.
Immerhin hätte er bei seiner Tochter die Chance, seinen Namen mitzugeben. Georgette wollte er sie nicht nennen (ein Nicht-Können war es wohl nicht). Aber Marie-Georges, das wäre möglich. Es sollte ein umgangssprachliches Marie-Jo werden.
Schon wieder!
Kurz hatte ich den Eindruck, dass mich der Meister ärgern möchte. Simenon schrieb Marc in der Hotchkiss School ein. Die Umgebung schilderte er so:
Ach Mann, Georges! Du machst mich fertig! Nur einmal hättest du doch nachschauen können. Es ist wohl der gleiche See, wie in du ihn schon zuvor thematisiert hattest. Gut, beim letzten Mal hast du ihn noch Novoscopohnuk genannt. Ganz ehrlich! – ich kann keine Ähnlichkeit mit dem jetzt genannten Namen entdecken. Außer, gut, lieber Georges, dass muss ich dir zugestehen, dass sie auf -nuk enden. In der französischen Ausgabe wird auf diese Lässigkeit deinerseits hingewiesen, aber die deutschen Leserinnen und Leser dürfen sich halt selber denken, dass es sich eigentlich um den Wononskopomuc Lake handelt. Diesmal warst du aber ein bisschen näher dran am echten Namen.

Wo Simenon schon beim Thema Schule war: Er ging auch noch mal zur Schule. Allerdings als Dozent. Der Belgier war – mal wieder – als Speaker eingeladen und war auf mehreren Colleges, um mit den Studenten zu diskutieren. Wie schon beim ersten Mal, hatte er auf dieser »Tour« seinen Spaß.
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Auch egal
In der Nähe – in den USA – immer ein relativer Begriff, wurde ein Theaterstück aufgeführt, welches nach »La neige était sale« (dt. »Der Schnee war schmutzig«) entstanden war. Avantgardistisches Theater – habe ich auch mal besucht, hat mir nicht zugesagt. Darum soll es jedoch nicht gehen. Simenon hatte es nur zur Kenntnis genommen und meinte dazu – Theater und Film über einen Kamm scherend:
Dann wäre er auch nicht enttäuscht, wenn er mitbekommen würde, was zurzeit aus seinem Maigret gemacht wird.
Simenon berichtete noch ein wenig über den Alltag: Der Kleine ging in einen Kindergarten der Hotchkiss. Denyse kümmerte sich um Vertragsangelegenheiten. Und er selbst schrieb: Ende 1951 entstand »La mort de Belle« (dt. »Bellas Tod«) – die Handlung spielt in Lakeville, in der Geschichte bleibt der Ort m.E. ungenannt. 1952 gab es nur vier Romane »Le revolver de Maigret« (dt. »Maigret und sein Revolver«), »Les frères Rico« (dt. »Die Brüder Rico«), »Maigret et l’homme du banc« (dt. »Maigret und der Mann auf der Bank«) und »Antoine et Julie« (dt. »Antoine und Julie«).
Mehr als viele andere Schriftsteller in ihrem Leben schaffen – und das in einem Jahr fabriziert. Und schaut man sich die fünf Romane an: Es sind wirklich nicht die schlechtesten aus der Feder Simenons.
Auch dieser Einschub irritiert, zumindest an dieser Stelle. Wir sind dem Gefühl nach noch im Jahr 1952, schließlich wuchs Marie-Jo noch im Bauch ihrer Mutter und sollte erst im Jahr darauf das Licht der Welt erblicken und Simenon ließ sich auch darüber aus, was er denn im Jahre '52 produziert hatte.
Zum Präsidenten der Mystery Writers of America wurde er auch ernannt, aber der Belgier wird in deren Analen erst für 1955 als als »Boss« geführt. Wäre sehr ungewöhnlich, wenn man einen solchen Posten drei Jahre im voraus wählt, oder?
Der Verband der Krimischreiber wurde 1945 gegründet und ist hierzulande durch den von ihm verliehenen Edgar Allan Poe Award ebenfalls bekannt. Die Namen der Präsidenten, die jeweils nur ein Jahr das Amt innehaben, ließt sich wie ein Register einer gut sortierten Krimi-Bibliothek. Verliehen wird auch ein Grand Master Award, womit das Lebenswerk von Krimi-Schriftstellern gewürdigt wird. Diesen Preis vergab die MWA 1966 an Simenon.
Frauen, Schlangen und ein Schneesturm
Klar! Am nächsten Tag saß die junge Frau wieder auf dem Platz, genauso nackt, und Simenon hatte die Erlaubnis von Denyse, die er – Überraschung! – auch gleich nutzte.
Das Ergebnis befriedigte ihn nicht ganz. Er war offenbar überrascht, dass sie eine Expertin war und dieses Sex-Ding für sie mehr eine Zerstreuung denn ein körperliches Verlangen. Auf alle Fälle überlegte er, ob sie überhaupt Lust dabei empfand und ob »ihr Verlangen nach einem Mann nicht rein rationaler Natur war«.
Also doch ein Verlangen? So richtig klug werde zumindest ich aus den Ausführungen nicht. Zumal im Absatz darauf eine Klage darüber zu finden ist, dass er als Objekt benutzt fühlte. Das ist aus seiner Perspektive gewiss eine ganz neue Erfahrung gewesen. Scheint ihn aber nicht zu arg getroffen zu haben, denn es kam zu Wiederholungen.
Und wir wollen nicht vergessen: Er hatte ja auch noch Boule in der ersten Etage.
An Weihnachten gab es für Marc Schlangen als Weihnachtsgeschenk. Kurz hatte ich mich gefragt, ob dieser Zoo des Erstgeborenen im Haus der Mutter zu finden war. Nun ist es ein Klischee, dass Frauen vor solchem Viehzeug Angst haben, aber ich könnte mir gut vorstellen, dass die weit- und vielgereiste Tigy in der Beziehung entspannter gewesen war. Der Gedanke musste nicht weitergesponnen werden, denn Simenon schreibt von einer Garage, in der sich die Käfige befanden, und da ist anzunehmen, dass es das Haus von ihm war, in dem Marc seinen Zoo aufbaute.
Das Geschenk war eine Pituophis catenifer sayi, auch Bullsnake genannt. Die gute Nachricht ist, es handelte sich um eine ungiftige Art. Allerdings nicht ganz klein. Sie konnten 2,50 Meter lang werden. Eigentlich ein ganz faszinierendes Wesen. In der freien Wildbahn versuchte sie, eine Klapperschlange nachzumachen. Das machte sie so gut, dass sie von Menschen oft für eine solche gehalten wird und deshalb getötet wird. Also eine Taktik, die nicht unbedingt aufgeht. Auch wird ihr nachgesagt, dass sie selbst Klapperschlangen frisst. Aber nur in sehr wenigen Exemplaren wurden Überreste eines Klapperschlangenmahls nachgewiesen, weshalb dies eher ein Verlegenheitsfraß war, denn eine ausgeprägte Gewohnheit.
Für Johnny gab es die damals noch unproblematische Cowboy- und Indianerausrüstung. Außerdem hatte er einen Schallplattenspieler, der mechanisch angetrieben werden musste. Der Kleine war ein ausgesprochener Musikliebhaber und konnte sich stundenlang mit seinen Platten beschäftigen. Außerdem mochte der Kleine Comics, an denen auch der Papa Spaß hatte.
Nach einer Lehrveranstaltung an einem Mädchen-College gerieten Denyse und Georges in einen Schneesturm und kamen nicht nach Hause. In einem kleinen Hotel, in dem sie unterkamen, spürte der werdende Vater die Bewegungen seiner Tochter – und war unendlich glücklich.


Dieses umfassende Werk vereint detaillierte Informationen über Simenons Werk, und ist ein unverzichtbares Nachschlagewerk für Sammler und Fans. Der erste Band der Simenon-Bibliografie – über die Maigret-Ausgaben – erschien am 31. Mai 2024.
