Über die Story

In Libreville war man ganz und gar nicht begeistert gewesen, als man dieses Buch gelesen hat. Man trug Simenon noch immer seine Artikelserie in der »Voila« nach (»Die Stunde des Negers«); und sah mit diesem Roman die Gelegenheit, dem immer bekannter werdenden Schriftsteller ordentlich was auszuwischen. 1933 erschienen, erhob 1934 eine gewisse Madame Mercier Klage vor einem Pariser Gericht – Beleidigung warf sie Simenon vor. Wenn sich jemand in diesem Roman wieder zu erkennen glaubte, dann sie in der Figur der Adèles – eine der beiden Hauptfiguren in dem Roman. Adèle war Besitzerin des Hotels »Central« und hatte nichts gegen außereheliche Beziehungen. Der Mann, ob er nun davon wusste oder nicht ist eigentlich egal, verstarb im Roman schon nach kurzem. Die Beleidigung lag darin, dass Simenon geschrieben hat, Adèle würde nur enganliegende Baumwollkleider tragen und man ohne große Probleme erkennen könnte, dass sie nichts unter ihrem Kleid tragen würde. Simenon hätte das nicht wissen können, denn sie hätte nicht mit ihm geschlafen. Sie gab durchaus zu, wie Adèle im Buch, ihren Mann betrogen zu haben und scheute sich auch nicht, zuzugeben, dass sie einen Farbigen erschossen hat – aber… Es bleibt nur anzumerken, dass es Maurice Garçon, Simenon Anwalt, gelungen war, das Gericht von der Lächerlichkeit der Klage zu überzeugen. Die Klage wurde abgewiesen und Simenon sollte in Zukunft größere Sorgfalt auf die Verwendung von Namen und Orten legen; was aber nicht verhinderte, dass er mit »Stammbaum« nochmals vor Gericht gezogen wurde – und verlor.

Joseph Timar trifft nicht mittellos in Libreville ein – ganz solide hat er Frankreich mit einer gewissen Protektion verlassen, einen Arbeitsplatz hat er auch schon, der nur den kleinen Schönheitsfehler hat, dass es ihn nicht gibt (oder frei ist, wie man will). Also macht sich Joseph Timar mit dem Leben in der Kolonie vertraut. Der beste Anlaufpunkt dafür ist das Hotel »Central« – hier verbringt der junge Mann seine Tage und beschäftigt sich mit den Anwesenden, zumeist Holzfäller. »Beschäftigt« heißt nicht, dass er sich mit den Holzfällern groß unterhalten hätte – meist saß Timar still in einer Ecke und trank vor sich hin.

Dann war da noch Adèle, eine Prachtweib, hätte Simenon dazu gesagt. Etwas molliger verführte sie den Neuankömmling schon nach kurzer Zeit. Für den war es gleich Liebe, ohne daran zu denken, dass die Frau noch einen Mann hat. Timar war nicht traurig, als der Ehemann von Adèle verstarb. Der Abend ging nicht glatt über die Runde, was nicht an dem Tod des Mannes lag, auch nicht an übermäßiger Trauer von Frau und Gästen. Auf der Straße wurde ein toter Einheimischer aufgefunden – erschossen. Der Verdacht richtet sich, da es ein Angestellter des Hauses gewesen war, sehr schnell gegen Adèle.

Timar mag das nicht glauben und verbürgt sich mit seinem guten Namen (den er aus Frankreich mitgebracht hatte und den er nur »ererbt« hat) für die Hotelfachfrau. Polizeichef, Staatsanwalt und Gouverneur halten nichts von den Unschuldsbeteuerungen des Mannes – guter Name hin, guter Name her. Ein Exempel musste statuiert werden – es ging nicht an, dass man die Einheimischen wann es einem beliebt einfach so massakriert.

Kommt Ihnen dieses Thema bekannt vor. Während die Gerechtigkeit in diesem Roman vor Ort walten möchte, war es in »Der ältere Bruder« die Gerichtsbarkeit in Frankreich, die einem alten Veteranen verfolgt, da durchgesickert war, dass er sich mancherlei Probleme mit Dynamitstangen erspart hatte. (Wird, so mein Eindruck, in dem Roman auch erwähnt – in einem Gespräch wird erwähnt, dass es eine übliche Methode war, Disziplin in die Reihen der einheimischen Angestellten zu bringen).

Adèle macht daraufhin interessante Pläne: um sich nicht Gerichtsbarkeit stellen zu müssen (das Verschwinden von der Bildfläche wirkt manchmal Wunder), plant sie mit Timar den Aufbruch. Hier dient ihm wirklich sein guter Name. Er kann ein Stück Land pachten, welches reiche Erträge verspricht. Das Geld bringt Adèle in die Partnerschaft ein, die ihr Hotel an einen Holzfäller verkauft. So machen die beiden sich auf in die Wildnis.

Es wird wirklich ein Abenteuer.