Über die Story

Es ist März, die ersten wärmenden Sonnenstrahlen erfreuen die Menschen. Maigret ist Strohwitwer, da Madame Maigret in das Elsass zu ihrer Schwester gefahren war, die kurz vor der Entbindung stand. Da wurde jede helfende Hand gebraucht.

Maigret hatte keine aufreibenden Fälle zu bearbeiten. So entschließt er sich kurzerhand nach Bordeaux zu fahren, um Ermittlungen in Stadtarchiv vorzunehmen, die er schon lange vor sich hergeschoben hat. Das Ganze wollte er mit einem Kurzurlaub verbinden. Ein Freund und ehemaliger Kollege hatte ihn eingeladen. In Briefen hatte er sich lang und breit über die Vorzüge der Gegend ausgelassen und von dem guten Essen vorschwärmt. Der Kommissar war von diesem Ausblick sehr angetan.

Die Genehmigung hatte er von seinem Chef bekommen und so macht er sich auf den Weg nach Villefranche-en-Dordogne, wo sein Freund lebt. In seiner gehobenen Position darf er in der ersten Klasse reisen – den Wunsch, sich zu betten, hatte der Kommissar erst recht spät und so waren in der ersten Klasse keine Liegewagenplätze mehr frei. Er kam in der zweiten Klasse unter und teilte sich das Abteil mit einem Mann, der einen wahrhaft unruhigen Schlaf hatte. Der Mann schien zwischenzeitlich zu weinen, Maigret ist sich da nicht so sicher. Ein wenig barsch forderte er Ruhe ein. Irgendwann fällt der Kommissar i.F. (in Ferien) in den Schlaf, dann kommt es zu einem Höllenlärm – der Zug querte eine Eisenbrücke – und Maigret wacht auf, sieht Beine von der oberen Liege baumeln und der Mann bindet sich seine Schuhe, scheint sich fertig zu machen. Irgendwas war da, was komisch war, unstimmig. Sein Abteilgenosse wirkte abgerissen, aber irgendwie auch gepflegt und dann waren da noch die Lackschuhe – das alles passte nicht zusammen.

Der Mann hatte keine Manieren! Er verließ das Abteil, ohne die Tür zu schließen, und Maigret musste aufstehen, um sie zu schließen. Dabei sieht er, wie der Mann die Wagon-Tür geöffnet hat und sich in einer Kurve – der Zug war langsamer geworden – springt der Mann aus dem Zug. Nun kommt es: Statt sich zu sagen, da ist ein Mann aus dem Wagon gesprungen, aber ich kann hier noch schön auf meiner Liege kuscheln, kommt Maigret auf die Idee, dem Mann hinterherzustürmen und ebenfalls aus dem Zug zu springen. Ist das eine gute Idee? Natürlich nicht! Denn die Ferien waren damit vorbei.

Im Bett

​Nun sprang der Kommissar nicht direkt in ein Bett, sondern zuerst verfolgte er den Mann, wurde angeschossen, schleppte sich in eine Richtung, von der er nicht wusste, wohin sie führte, wurde gefunden und dann ins Krankenhaus nach Bergerac gebracht. Da lag er dann im Bett.

Als er das erste Mal zu sich kam, sah er fünf Männer, die um ihn herumstanden und angrinsten. Es war nicht das Grinsen, welches einen wirklich willkommen hieß. Es war ein wenig hämisch und die Herren, die sich um ihn versammelt hatten, schauten auch mehr oder weniger streng. Auch die Worte, auch wenn Maigret sie im Narkosenebel noch nicht hundertprozentig interpretieren konnte, deuteten darauf hin, dass man ihn für einen Mörder hielt. Ihn! Er brauchte Schlaf, nahm sich noch eine Mütze voll und als er wieder zu Sinnen kam, war eine Schwester dabei, im Zimmer zu räumen. Die Schwester war überhaupt gar nicht, für seine Fragen empfänglich und verhielt sich sehr abweisend. Die Aktivität des Patienten legte sie als Bereitschaft aus, sich Fragen zu stellen. Wer welche hatte, kann schließlich auch welche beantworten.

Da waren dann die Herren wieder und eröffneten Maigret, dass sie froh wären, ihn gefangen zu haben und dass er, ihrer Meinung nach, ein Mörder wäre. Zwei Frauen hätte er auf dem Gewissen und bei einer dritten, hätte er es probiert. Erdrosselt und eine lange Nadel durch das Herz gestoßen, das deutete auf eine gestörte Persönlichkeit hin und wenn man das weiß, macht das verständlich, warum sich die Herren so gefreut hatten, den Täter gefunden zu haben. Aber jeder, der das Buch in den Händen hält, weiß: Maigret ist nicht der Täter.

Leider gibt es nicht lang den Spaß mit dieser Verwechslung. Zügig wird die wahre Identität des Kommissar geklärt. Sein Freund Leduc, der, den er besuchen wollte, ist in der Stadt bekannt und sein Wort gilt auch etwas. Er bestätigt den Herrschaften, dass das ein berühmter Kommissar aus Paris sei.

Die Herren waren vielleicht der Meinung, dass diese Sache – also »Maigret als Tatverdächtiger« – damit abgeschlossen sei, aber der Kommissar lag im Bett und hatte Langeweile. Warum nicht einen Mörder fangen?

Maigret vs. Bergerac

​Madame Maigret hatte erfolgreich dabei geholfen, die Nichte auf die Welt zu bringen. Nun war es an der Zeit, den Mann wieder auf Vordermann zu bringen. Maigret war zu gesund für das Krankenhaus, aber noch lang nicht gesund, um wieder nach Paris zu reisen oder gar zu arbeiten. So zog er in ein Hotel um und von seinem Zimmer aus, hatte er einen schönen Blick auf den Marktplatz – er sah, was sich abspielte, wer kam, wer ging und die Stimmungen, in denen die Menschen waren. Seine Frau, versuchte ihm das Rauchen abzugewöhnen – ohne Erfolg, wie man hier wohl verraten darf – und hin und wieder kam sein Doktor aus dem Krankenhaus, der ihn zusammengeflickt hatte, und begutachtete seine Wunden.

In der Küche des Hotels wirtschaftete Madame Maigret mit, um ihren Mann zu bekochen. Sie fand auch eine gewisse Freude, Rezepte mit dem Koch des Hotels zu tauschen. Die wirklich feinen Sachen bekam Maigret nicht, denn er war noch auf Schonkost.

Maigret fing an Fragen zu stellen und konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass man ihm die Fragen nur sehr ungern beantwortete. Dr. Rivaud war sehr zurückhaltend und sein Freund Leduc konnte sich für die Fragestellungen auch nicht begeistern. Den Stein ins Rollen (oder Maigret ins Rollen, wenn man es genau nimmt) bringt Madame Maigret. Diese kommt ins Zimmer und fragt ihn, warum er denn in der zweiten Klasse nach Bergerac gereist sei. Sie hatte vor dem Hotelzimmer eine Fahrkarte gefunden, von Paris und sie passte zu seinen Reisedaten. Nur war es nicht seine, er durfte in der ersten Klasse reisen und hatte das auch getan. Sie musste jemand verloren haben, der ihn besucht hatte, und Maigret konnte sich nicht vorstellen, dass eine rege Reisetätigkeit zwischen Paris und Bergerac bestand.

Der nächste Schachzug von Maigret brachte ordentlich Leben in seine (Hotel-)Bude. Er lässt in der Stadt Zettel aushängen, auf denen denjenigen eine Prämie versprach, die ihm über die ihm Informationen zu den Verbrechen lieferten. Der örtliche Kommissar war außer sich und der Staatsanwalt Duhourceau ebenso. Beide tauchten bei ihm auf und machten ihrem Unmut über diese unverschämte Aktion Luft. Schließlich hätte er hier in Bergerac überhaupt nichts zu vermelden, heißt es und statt irgendwie klein bei zu geben, nutzt Maigret jede Gelegenheit, die Honoratioren der Stadt noch mehr zu reizen.

Aber damit nicht genug. Auch seinen Freund Leduc triezt er und gibt ihm zu verstehen, dass er ihn auch für einen möglichen Verdächtigen hält. Allzu leicht kann man sich vorstellen, dass Leduc völlig außer sich ist. Darüber, dass Maigret es geschafft hatte, seinen Freund so aufzubringen, war auch Madame Maigret verärgert. Alle waren sie gegen Maigret, einige fragten sich auch, ob der Kommissar nicht selbst ein wenig verrückt geworden ist. Und der lag im Bett.

Der Mann

Diese Ermittlungen, und was man darüber herausfand, das war alles unerfreulich – fand Madame Maigret. Denn sie hatte die Rolle von Lucas in dieser Situation zu spielen. Da, wo Maigret nicht hinkonnte, da muss musste sie nun hingehen und »Auge und Ohr« für ihren Ehemann sein. Sie war, wie der Kommissar i.B. (im Bett) bald feststellen durfte, gar so pflegeleicht wie sein Vasall Lucas in Paris. Aber als ein Toter im Wald gefunden wurde, da musste sie hin und ihre Beobachtungen dann Maigret mitteilen.

Für den Staatsanwalt und seinen Kommissar ist daraufhin klar: Das ist der Mann aus dem Zug und damit hat man auch den Frauenmörder. Die Interpretation, die sie sich zurecht gelegt hatten, war: Er ist seiner Taten und sich selbst überdrüssig geworden. So brachte er sich um.

Maigret hat einige Zweifel an dieser Theorie und vermutet vielmehr, dass versucht wird, etwas zu vertuschen. Es gab diverse Herrschaften, die versuchten, ihn zu täuschen: sein Arzt, der Staatsanwalt, sein Freund. Er hatte aber alle Zeit der Welt und konnte weiter seine Fäden spinnen, um dem wahren Grund auf die Spur zu kommen. Madame Maigret ist entsetzt, als sie die Abgründe erkennt, die sich mit der Geschichte auftaten.

Ein später Früher

Dieser Maigret-Roman ist einer der letzten Romane, die Simenon in seinem ersten Maigret-Abschnitt geschrieben hat. Er weist eine erstaunliche Reife auf und man findet keine eklatanten logischen Fehler mehr, man kann der Geschichte sehr gut folgen. Wie Geschichten verlaufen, ist meist Geschmacksache, ich hätte mir gut vorstellen können und hätte mich köstlich amüsiert, wenn Simenon den »Maigret als Täter«-Aspekte ein wenig länger verfolgt hätte. So kapriziert er si​ch darauf, von seinem Bett aus den Täter zu fangen, gegen jeden Widerstand, mangelnden Ressourcen und unter einem gewissen Tabak-Entzug. Seine Ermittlung beruht zum größten Teil auf Hören und Sagen.

Der Roman ist für Maigret-Einsteiger genauso geeignet wie für Maigret-Liebhaber, es kommt jeder auf seine Kosten. Wer Maigret mit Paris verbindet, wird vielleicht enttäuscht werden, und das Provinzielle hat auch seinen Charme.