Über die Story

Keiner vom Quai Maigret hörte ein Flüstern im Flur. Er war plötzlich erwacht und hatte das Gefühl, dass es geklingelt hatte. Eine Bande von Räubern hatte dafür gesorgt, dass er erst spät zu Bett gekommen war. Sein Schlaf war kurz und wie ein Kind, versteckte Maigret seinen Kopf im Kopfkissen, um der Realität noch für einen kurzen Augenblick zu entgehen. Es war Lapointe, der schlechte Kunde überbrachte. Während Maigret langsam erwachte, lag Inspektor Lognon im Krankenhaus Bichat und kämpfte um sein Leben. Zwei Kugeln hatten ihn getroffen. Eine in den Buch und die andere unterhalb der Schulter – die Täter kannten sich aus und wussten, dass es sicherer war, dem Opfer in den Bauch zu schießen, wenn man sicher sein wollte, dass das Opfer starb.

Warum nur? Die Kollegen Lognons fragten sich, warum es ihren Kollegen erwischt hatte. Gewiss, er war als Unglücksrabe bekannt. Da sie wussten, was auf sie zukam, versuchten sie Spuren zu sichern. Woran hatte Lognon gearbeitet? Keiner wusste es, seine Berichte – selten ein Vergnügen zu lesen – waren nichtssagend. Eine andere Spur ergab sich aus dem Tatort. Lognon war vor einem Haus in der Avenue Junot erschossen worden, als er das Haus verlassen hatte.

Eine informative Concierge Angèle Sauget zickte nicht herum. Rundherum gab die Frau eines Nachtportiers zu, sie würde Lognon kennen. Er besuchte die fünfundzwanzigjährige Marinette Augier, die als Kosmetikerin in einem Salon in der Avenue Matignon gearbeitet hatte. Die hübsche Augier war lange Zeit verlobt werden und der nette junge Mann, der sie zu Hause besuchte, meldete sich als Monsieur Henri. Dann kam es zur Trennung und seit der Zeit war die Kosmetikerin allein stehend gewesen. Vierzehn Tage vor den Schüssen auf Lognon fingen seine Besuche bei der jungen Frau an. Betrat der Inspektor das Haus, meldete er sich schlicht als »Vierter Stock«. Kein schöner Name. Sie hatte den Schuss vernommen und war – ihre Neugierde war dabei – aus dem Haus gegangen, und hatte Lognon entdeckt. Als sie sich über ihn gebeugt und sie meinte, kurz bevor der Inspektor in die Bewusstlosigkeit entschwand, ein Wort zu hören: »Gespenst«. Es war, als hätte Lognon seinen Kollegen ein Rätsel mit auf den Weg gegeben.

Madame Maigret ermittelt Der Kommissar bittet seine Frau, Madame Lognon zu betreuen. Die arme Frau, selbst sehr krank, litt sehr. Unterstützung durch Madame Maigret konnte ihr nur recht sein. Madame Maigret ist gern gefällig und besorgt den Haushalt. Natürlich hatte Maigret etwas im Hintersinn: Er ließ sich von seiner Frau bei einem wunderbaren Essen berichten, wie es im Haushalt der Lognons zugeht und ging davon aus, dass seine Frau die kranke Inspektorenfrau »verhören« würde. Er sollte sich nicht täuschen. Das Ergebnis war allerdings ernüchternd: Madame Lognon war arglos was ihren Mann anging und nutzte die Gelegenheit, um über ihren Mann, die Kriminalpolizei und die Welt im Allgemeinen zu klagen. Abschließend ließ sich festhalten, dass Madame Maigret mehr Mitleid für Inspektor Lognon empfand als für seine Frau – das war vor ihrem Besuch in dem Haushalt am Place Constantin Pecqueur, zweihundert Meter vom Tatort entfernt, anders gewesen.

Filou Die Kollegen Lognon sahen ihn plötzlich mit ganz anderen Augen. Madame Lognon berichtete, dass ihr Mann vorzugsweise Nachtschichten schob. Nachtschichten, die er bei der Kosmetikerin verbrachte. Die Kollegen waren letztlich enttäuscht: Lognon, so wies die Spurensicherung nach, hatte sich nicht im Bett der jungen Frau aufgehalten. Eine merkwürdige Romanze… Die Spuren wiesen auf eine ganz andere Betätigung hin, die so viel unspektakulärer war: Lognon hatte in einem Sessel am Fenster gesessen und geraucht.

Die verschwundene Frau Maigret konnte sich in der Wohnung von Marinette Augier frei bewegen. Die Frau war weg. Sie war mit dem Schuss verschwunden, berichtete die Concierge, denn nachdem sie Lognon der Obhut eines Krankenwagens übergeben hatte, war die Concierge in die Wohnung im vierten Stock geeilt und hätte sie verlassen vorgefunden. Fraglich war, ob die Mademoiselle die Wohnung vor oder nach dem Schuss verlassen hatte, vielleicht mit Lognon zusammen. Die Ermittlungen bei dem Bruder Augiers. Der kannte den bewussten Monsieur Henri und konnte den Polizisten mitteilen, dass es sich bei dem Mann um Jean Claude Ternel handelte, einem Industriellensohn. François Augier hatte beim letzten Besuch seiner Schwester auch mitbekommen, dass sie einen neuen Mann kennengelernt hatte, den sie als interessant bezeichnete, eine Verlobung aber rundweg abstritt. Eines hatte sie aber gesagt: Es würde interessante Neuigkeiten geben. In der Tat, die gab es: Ein Polizist war angeschossen worden und eine Frau war verschwunden.

Das Haus gegenüber Zur Brotarbeit von Polizisten gehört in einem solchen Fall, die Befragung von Anwohnern. Bei der Befragung stoßen die Polizisten auf einen kauzigen Kerl, der in einer verdreckten Wohnung lebt und den ganzen Tag die Welt durch sein Fenster beobachtet. Monsieur Maclet hätte es nicht nötig. Seine Concierge war der Meinung, dass der Mann reich sei. Er gab sein Geld nur nicht aus. Inspektor Chinquier störte sich daran nicht und sah auch großzügig darüber hinweg, dass er als von dem alten Mann nicht richtig akzeptiert wurde. (»Sind Sie nicht ein bisschen jung für diesen Beruf?« Ich antwortete, ich sei fünfundreißig, und er sagte zwei- oder dreimal: »Junges Gemüse! ... Junges Gemüse! Was weiß man schon mit fünfunddreißig?«). Dafür wusste der Mann Interessantes über das Haus gegenüber zu berichten. Dies gehörte einem gewissen Jonker. Merkwürdige Geschichten würden in dem Haus vor sich gehen, berichtet der Mann: Jonker sei mit einer bildhübschen, jungen Frau verheiratet. Trotzdem kämen Abend für Abend junge Frauen ins Haus und verließen es nach ein paar Stunden wieder – keine Freundinnen der Frau des Hauses, berichtet Maclet, denn es wären immer neue Gesichter, die der Mann erblickte.  Der Inspektor suchte natürlich umgehend das gegenüberliegende Haus auf, um sich ein Bild von den Bewohnern zu machen. Die Ergebnisse waren ernüchternd: Norris Jonker, Sproß einer holländischen Bankiersfamilie, war ein unbescholtener Mann, der einen hervorragenden Ruf als Kunstsammler hatte. Maigret konnte nicht anders, als die von Chinquier geleistete Arbeit.

Carl war es nicht Der Inspektor war auf die Idee gekommen, dass gar nicht der ältere Hausherr der »Konsument« der jungen Damen war, sondern es der Chauffeur der Jonkers war, der sich derart vergnügte. Eine gewagte Idee, denn wie sollte sich ein Fahrer diesen Luxus leisten können? Hinzu kam, dass eine Angestellte des Milchladens die Freundin Carls war und er sich fast jeden Abend mit ihre traf. Zusätzliche Begegnungen mit anderen Frau hätten ihn in erhebliche logistische Schwierigkeiten versetzt.

Guter Ruf Die Auskünfte, die der Kommissar auf über Monsieur Jonker einholte, stimmten den Kommissar nicht zufrieden. In der Botschaft ließ ihn Hubert de Vries, 2. Sekretär seines Zeichens, abblitzen, als er hörte, dass es sich um einen so bedeutende Persönlichkeit handelte. Manessi, Sachverständiger in Sachen Kunst, bestätigt den guten Ruf Jonkers.