Über die Story

Auf der Rückseite des Buches steht geschrieben, dass die Liebe zwischen Gérard Auvinet und Linette Bonfils auf eine harte Probe gestellt wird. Ein ziemlich verwegener Ansatz, wo man schon bei der Schilderung der Hochzeit das Gefühl hat, dass Auvinet befremdet wirkt. Trotzdem hat er seinen Kopf durchgesetzt und Linette geheiratet.

Das gemeinsame Leben beginnt mit einer Lüge: Auvinet hat dem Vater der Braut versichert, dass er eine gute Stelle in Paris hätte, bei der er 2000 Francs im Monat verdienen würde. Das war geringfügig übertrieben, mit 800 Francs ging er nach Hause, wenn er sich bewähren würde. Aber Gérard war schon ordentlich verschuldet – seinen Hochzeitsanzug hatte er einen Kollegen abgekauft, diesem dabei Ratenzahlung versprochen, nicht wissend, wie er dieser Verpflichtung nachkommen will.

Ein Lichtblick – immerhin – war, dass er die Stelle in Paris bekommen sollte. Aber wie bei allem gab es auch bei dieser Geschichte einen kleinen Vermuttropfen: er war nicht Sekretär des berühmten Jean Sabin. In dessen Büro arbeitete er, das war wohl war; Gérard war dafür verantwortlich, dass die Post rechtzeitig abgeliefert wurde – das war wohl nicht das, was sich der Vater von Linette vorgestellt hatte. Aber sie waren in Paris und damit dem Einfluss aus Poitiers entkommen.

Nicht nur Linette. Gérard stand in Poitiers unter der Kuratel seiner Mutter, die mit der Hochzeit überhaupt nicht einverstanden war. Zum einen, weil sie von ihrem Sohn finanziell abhängig war, zum anderen kannte sie ihren Sohn besser als jeder andere. Sie wusste, dass ihr Sohn dazu neigte, falsch zu machen, was man falsch machen konnte, dass er log, wenn es sich anbot.

Die Kontrolle fehlte und Linette, schwanger, verbrachte ihre Tage im Hotel, auf ihren jungen Gatten wartend. Was sollte sie auch tun? Geld war keines da. Wenn ein Geldschein zur Hand war, dann wurde dieser für unsinnige Sachen von Gérard ausgegeben oder er wartete mit dem Ausgaben, um seine Frau zum Essen einzuladen.

Das konnte natürlich nicht gut gehen: Gérard fing an zu stehlen. Kleinigkeiten im Büro – mal hier vorgegeben, ein paar Briefmarken zu viel gekauft zu haben, ein andermal das Wechselgeld etwas zu kürzen. Der junge Mann aus Poitiers hat leichtes Spiel. Im Büro kümmert sich niemand um ihn, er langweilt sich die meiste Zeit. Man könnte fast entschuldigend sagen, dass es die Umgebung war, die ihn prägte. Die Angestellten, einschließlich des großen Jean Sabin, eines Berufs-Patrioten, lebten von den Mitgliedsbeiträgen und Spenden einer Organisation. So lange man nicht so weit ging, und sich direkt an den Briefumschlägen der Mitglieder vergriff, um sich dessen Inhalt anzueignen, konnte einem kaum etwas passieren.

In diesem nicht besonders herausragenden Roman von Simenon kann man das langsame Abgleiten von Gérard Auvinet beobachten. Simenon schildert den Mikrokosmos, in dem sich wohl auch Michel Maudet in -»Der ältere Bruder«- befunden hat, bevor ihn seine Sekretärs-Berufung ereilte.