Über die Story

So findet man sich: zwei Menschen schon sehr weit unten sind und den endgültigen Absturz vor den Augen haben. War es vielleicht das, was sie anzog?

Sie war einmal gut verheiratet gewesen. Der Mann war im diplomatischen Dienst und stammte aus einer sehr angesehenen Familie in Ungar, die über riesige Besitztümer verfügte. Was hatte sie geritten, dass sie den Mann, der sie wie seinen Augapfel hütete, verließ, um sich mit einem Geliebten davon zu machen, die gemeinsame Tochter bei irgendwelchen Tanten von ihm hinterlassend? Der Weg des Lebens führte sie nach Amerika. Sie hatte eine gute Stelle als Übersetzerin, kam aber nicht mit den Kollegen zurecht. Dann arbeitete sie als Platzanweiserin in einem Kino – ein anstrengender Job, den sie gesundheitlich vertrug. Als ihre Wohnungsgefährtin von ihrem Mann nach Panama geholt wurde, wusste sie, dass ihre Perspektiven dürftig waren: die Wohnung, in der sie mit Jessie gewohnt hatte, wurde von Jessies Geliebten finanziert – mit deren Abreise musste sie auch die Wohnung in absehbarer Zeit verlassen.

Um ihn stand es noch nicht ganz so schlimm. Er gestand einem Kollegen, dass er noch etwa für sechs Monate Geld hatte, um sich über Wasser zu halten. Was danach kam, konnte er nicht sagen. Aber er wusste, mit den Gelegenheitsjobs für das Radio konnte er sich nicht über dem Meeresspiegel halten. Er musste aufsteigen, aber danach sah es nicht aus. Für ihn war es ebenso ein Abstieg, wie für sie. Eines Tages hatte ihm seine Frau eröffnet, dass sie ihn verlassen würde (ein jüngerer Geliebter stand schon vor der Tür). Erstaunt stellte er fest, dass es nichts zu diskutieren gab: eine Ausprache? Fehlanzeige. Da sie Kollegin war, eine Berühmtheit in Frankreich, wie er auch, ließ es sich nicht vermeiden, dass sie miteinander arbeiten müssten. Er glaubte, dies nicht ertragen zu können, und plant einen Neuanfang in Amerika. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, so hieß es. Aber es sah so aus, dass dieses Land, das einige immer noch für das gelobte halten, nichts an ihm lag. So reihte er sich ein in die Schlange von Gläubigen, wanderte von Hollywood, von dem er sich erhofft hatte, dass es ihn mit offenen Armen empfangen würde, nach New York, wo er – seine Chancen mittlerweile realistischer einschätzend – genauso gut Arbeit finden würde, wie in dem Filmsumpf in Los Angeles.

Da trafen sie sich: Kay und François. An einem Freitag, dem Tag, an dem François gern aus seinem Zimmer flüchtete. Es war der Tag von Winnie, der Freundin eines Nachbarn. Es gab einen freudigen Empfang und irgendwann würden die Tränen kommen. Was schon schwer erträglich ist, wenn man in geordneten Verhältnissen neben solchen Nachbarn wohnt, wird dann, wenn man eigene Probleme hat, die nicht unerheblich sind, unerträglich. Kay suchte, wenn es Probleme gab, gern ihren Ausgleich unter Menschen. Sie redete gern und so redete sie an diesem Abend François an, unterhielt ihn. Denn sehr viel sagte er nicht, er hörte zu.

Irgendwann verließen sie die Bar, machten sich auf den Weg, streiften durch die Straßen von Manhattan, hin und wieder in einer Bar einkehrend. Ein Drink, ein wenig umgeschaut, dann ging es weiter. Sie kannten keine Leute. Irgendwann in dieser Nacht oder in den frühen Morgenstunden, landeten sie in einem Hotel. Da hätten wir sie, die drei Zimmer, von denen im Titel die Rede: das Zimmer von Kay, das von François und dann das Zimmer im Hotel.

François stand zuerst auf, verließ das Zimmer mit dem Gedanken, dass es ein Abschied gewesen sei. Kurz darauf kehrte er um, kehrte zurück zu Kay. Sie wachte in dem Moment auf, als er das Zimmer betrat und erkennt die Situation. Sie sagte ihm, dass er vorgehabt hätte, zu zu verlassen. Entweder kannte sie die Männer im Allgemeinen sehr gut, oder sie hatte ein Kenner-Auge für das Innere von François.

Ein Liebesroman. Herz und Schmerz. Wirklich? Gibt es so etwas von Simenon? Ja, aber auf sehr erträgliche Art und Weise. Ein Abgleiten in die Groschenhefte gibt es nicht. Kay und François leben in einer schlechten Welt. Sie wissen nicht, ob sie zueinander kommen werden; sie wissen nicht, wie es mit ihrem Leben weitergehen wird. Von außen betrachtet, könnte man annehmen, dass sie den Weg zu Abgrund allein nehmen. Kay, die fröhlich aus ihrem Leben erzählt, und François, der gebannt zuhört, dabei in sich Eifersucht erwachen sieht.

Mit dieser Liebe sind beide in das Leben zurückgekehrt. In dem Augenblick, in dem sie erkennen, dass sie füreinander geschaffen sind, ist es egal, wo es hin geht. Man wird den Weg gemeinsam gehen. Bei allem Unglück, welches den Protagonisten (somit auch den Lesern) in der Simenonschen Romanwelt widerfährt, ist man erstaunt, wenn man dieses Buch ausgelesen aus den Händen legt.

Handlung in dem Sinn, dass viel passiert, gibt es nicht. Der Leser nimmt Teil an den Gesprächen der beiden, die einem allzuoft an endlose Monologe erinnern, denn es ist Kay, die erzählt. Hier geht es François so, dass er nie weiß, ob er jetzt ein Märchen hört oder wenigstens ein Teil von dem, was Kay ihm erzählt, war ist. Die Geschichten sind manchmal zu fantastisch. So plätschert das Buch so vor sich hin. Ich bin erstaunt, dass das Buch verfilmt worden ist und mich würde interessieren, wie es dem Regisseur dies gelungen ist. Wenn ich mir vorstelle, dass dieses Buch heute nochmals verfilmt würde (dies ist ja nahezu unausweichlich), dann kann ich mir einen solchen Film nur in schwarz-weiß vorstellen. Das ist die Stimmung, das ist die Farbe, die einen solchen Film tragen würde.

Dieses Buch ist, wie so viele Simenons, autobiographisch geprägt. Er verarbeitet den Beginn seiner Beziehung zu Denise, seiner zweiten Frau. Zu diesem Werk, welches der erste Roman war, der von ihm bei Presses de la Cité erscheinen sollte, hatte er ein zwiespältiges Verhältnis: einerseits war er sehr stolz darauf und meinte einmal, dass es das Buch von ihm wäre, dass er mit auf eine Insel nehmen würde, zum anderen schrieb er, als das Buch wiederaufgelegt wurde, dass er den Stil unglücklich fände.