Über die Story

Da fragt man sich, wie diese Szene wohl in den Film kommt: man sieht zwei Männer auf einer Bank sitzen, daneben eine hübsche Frau. Irgendwie hat der Ausschnitt etwas von einer Hochzeit, andererseits schauen alle drei Abgebildeten nicht sehr glücklich. Als Leser weiß man nicht, was man davon zu halten hat.

François Donge ist ein erfolgreicher Mann. Er betreibt mit seinem Bruder Félix eine Firma, die Jahr für Jahr wächst. Nicht immer in die Richtung, wie man sich das vorstellt. Etwas Zufälliges scheint die Brüder zu treiben, aber da der Zufall nicht in Unachtsamkeit mündet, hat es der Firma nicht geschadet. Den beiden Familien geht es gut, im Ort sind sie mehr als geachtet. François und Félix haben eine weitere Verkettung zusätzlich zu ihren brüderlichen Banden und der Firma: sie sind mit zwei Schwestern verheiratet. Félix hatte sich in die drallere Jeanne verliebt, die Beziehung dieses Paares brachte auch Bébé und François zusammen. Die Frau von François war nett anzusehen, die Natur war großzügig gewesen und sie machte den Rest besorgte sie, indem sie sich zwei Stunden am Tag ihrer Toilette widmete. Was das Ansehen betraf, hatte François keinerlei Grund zur Klage.

Die Katastrophe ereignete sich an einem Sonntag. Die komplette Familie – die beiden Dongé-Paare, die Mutter der Schwestern und die Kinder der Paare, verbrachten ihre Zeit auf dem Wochenend-Grundstück. Sie saßen im Garten, als François Donge in das Haus stürzte, kurze Zeit später brachen hektische Aktivitäten aus. Die Hausangestellte war involviert, wie auch der Félix. François drängte darauf, dass man einen Arzt holte, kurze Zeit später lag er am Boden und war kaum ansprechbar. Der Mann hatte Glück: der Arzt konnte sofort kommen und rettet ihm das Leben. Nun war François von Hause aus Chemiker und wusste sofort, was seine Stunde geschlagen hatte. Ihm war nicht einfach nur übel geworden, wie ein Donnerschlag erkannte er, dass ihn seine Frau versucht hatte, mit Arsen zu vergiften. Er hätte es für sich behalten können, geholfen hätte es nichts: der Arzt hatte Augen im Kopf und kannte die Symptome. Der Fabrikant konnte sich nicht durchsetzen, der Arzt bestand darauf, dass die Polizei gerufen wird. François wurde ins Krankenhaus geschafft, seine Frau ins Gefängnis.

In so einem Fall hat man nicht die Möglichkeit, zu sagen, dass die Sache nicht zu verfolgen sei. Der Staatsanwalt würde es mit übergeordneten Interessen begründen, einen Mord konnte der Staat nicht ungesühnt lassen. Die private Befindlichkeit des Opfers spielte dabei keine Rolle.

Nun war es so, dass sich François auch nicht darum kümmern konnte. Er hatte sich im Hospital zu erholen. Sein Zustand war immer noch kritisch, die Dosis, die ihm verpasst wurde, war kräftig gewesen (vielleicht hatte sich seine Frau vertan?). Bébé Donge, eigentlich Eugénie-Blanche-Clémentine, ein ewig langer Name, den keiner rufen wollte, dass sie selbst im gestandenen Alter von 27 Jahren noch Bébé gerufen wurde, ein Name, der mehr an Hautpflege denken lässt, denn an eine erwachsene Frau, wurde vom Fleck weg verhaftet. Sie machte es den Ermittlern sehr leicht: ihr Geständnis ließ keine Zweifel daran, dass sie vorhatte ihren Mann zu ermorden. So ein Geständnis ist für den Verteidiger kein Segen. Was in diesem Fall überrascht, ist das Verhalten, des Ehemanns und Opfers: er ist höchst unglücklich über das Geständnis.

Dieses Buch hat eine gewisse Ähnlichkeit mit »Die Glocken von Bicêtre«. Das Vorspiel ist unterschiedlich, aber den größten Teil des Buches bestreitet der Leser aus der Perspektive François Donges. Er liegt im Krankenbett, kann sich nicht rühren und ist auf Hilfe anderer angewiesen. Abwechslung, die er nicht braucht, bieten ihm hauptsächlich das Pflegepersonal und sein Bruder, der ihm auf dem Laufen hält. Einmal bekommt er Besuch von dem Untersuchungsrichter, der versucht die Tat zu verstehen. Er dürfte aus dem, was ihm die Täterin sagte, genauso wenig schlau geworden sein, wie das was ihm das Opfer berichtet. Die Antworten der Ehepaare waren dürftig. Auch der Verteidiger, François Donge hatte den Besten beauftragt, konnte nicht mit großer Hilfe rechnen.

Dies waren aber nur kleine Abwechslungen, wie René Maugras verbrachte Donge seine Tage im Krankenhaus damit, sein Leben, vor allem seine Ehe, Revue passieren zu lassen. Hat er mit der Beziehung Glück gehabt? War alles richtig, was er gemacht hat? Hat er seine junge Ehefrau nicht eingeschränkt? Bébé hatte versucht ihn zu ermorden. François steht trotzdem zu seiner Frau.

Ich habe das Buch kurz vor meiner Eheschließung gelesen. Meine Frau ist Chemikerin und hat sich lange Zeit mit Toxikologie beschäftigt. Das Periodensystem kennt sie nicht mehr auswendig – um die Wirkung von Arsen dürfte sie in jedem Fall wissen. Trotzdem hege ich keinerlei Befürchtungen, eines Tages ein ähnliches Schicksal zu erleiden, wie es François Donge ereilte. Meine Frau leidet im Gegensatz zu Bébé nicht unter Langeweile: hiermit wäre ein wesentliches Motiv der Tat schon einmal erledigt.