Über die Story

»Betty ist eine amoralische Akteurin,« schreibt Barbara Möller im Rheinischen Merkur, »von der wir den Blick nur deshalb nicht abwenden können, weil sie all das tut, was wir uns verbieten.« Ob es nun die Amoral von Betty ist oder einfach nur die Spannung, die Simenon erzeugt, erst auf den letzten Seiten aufzuklären, warum Betty am Anfang des Buches in einer Bar landet, zusammen mit einem Doktor, der versucht, ihr imaginäre Würmer, die sich unter der Haut tummeln würden, mit einem Zahnstocher zu entfernen, sei einmal dahingestellt, aber nachdem ich den Text auf der Rückseite gelesen hatte, dachte ich mir so: »Ob dich das Thema so fesseln wird.«. Tat es…

Betty ist schon mehrere Tage unterwegs, und bevor der Doktor mit den Würmer anfing, hatte sie sogar die Hoffnung, dass wenn er sie mitnehmen würde, dass sie mal ein anständiges Bad bekommen würde. Das vermisste sie wirklich. Aber diese Hoffnung zerschlägt sich, dank der Würmer, ziemlich schnell. Ein Grund mehr, sich zu betrinken, denkt sie und tut es. Irgendwann ist sie so »dicht«, dass man sich um sie kümmert.

Er frage nicht mehr, ob sie nochmal dasselbe wünsche. Sie hatte es eilig. Je schneller es ginge, desto besser. Es verschwamm ihr alles vor den Augen. Da waren zum Beispiel rote Haare, die entweder ganz in ihrer Nähe oder auch am anderen Ende des Schankraums sein mochten, und von denen sie nicht wusste, ob sie von einer Frau oder von einem Mann waren. Sie musste sich anstrengen, um mit ihren Pupillen schwarz zu sehen, und erst dann bemerkte sie die starren, gleichgültigen Gesichter, die Wachsfiguren zu gehören schienen.

Der Wirt verfrachtet die junge Frau in den Wagen von Laure, einer »Stammgästin« in der Bar, die zu ihrem Hotel fährt und Betty ein Zimmer besorgt. Da die Betrunkene nicht in der Lage dazu ist, macht ihr Laure das Bett und richtet sie für den Schlaf her.

Wenn man es richtig betrachtet, war die Begegnung mit Laure ein Glücksfall für Betty. Mit der Fürsorglichkeit einer Krankenschwester versorgt sie Betty, bringt sie wieder unter die Menschen. Betty nutzt die Zeit zwischen dem Erwachen und dem Gang in die Stammbar, um ihr Leben Revue passieren zu lassen und Teile davon Laure zu erzählen.

Warum ist sie hier? Sie, die Gattin eines eleganten und wohlhabenden Mannes, Mutter von zwei Kindern? Dabei wird deutlich, dass die Betty mit ihren 28 Jahren nie die große Liebe gesucht hat, sondern immer nur Befriedigung. Sie fühlte sich fast nie ernst genommen (einzig ihr Vater verstand sie) und auch Guy, ihr Ehemann, liebte sie zwar, aber nicht auf die Art und Weise, wie sie es gebraucht hätte.

Im Grunde genommen langweilte sie sich in der Umgebung. Alle Bequemlichkeiten wurden von der Umgebung, in die sie nicht passte, negiert. Sie mochte nicht den Landsitz der Familie, sie mochte nicht die Schwiegermutter und auch den Bruder ihres Mannes mochte sie überhaupt nicht. Die Schwiegermutter, das muss man allerdings anmerken, mochte sie auch nicht und diese Gegenseitigkeit wurde von Bettys Seite nur erträglich, weil die Generalin selten anwesend war und die Generalin akzeptierte die Entscheidung des Sohnes für seine Frau in der Hoffnung auf einen Stammhalter. Aber selbst dies war enttäuschend - zwei Mädchen waren das Ergebnis der Bemühungen.