Über die Story

Da saß ich, und war gefesselt. Ihn konnte ich leicht einordnen, ein geborener Verlierer, durchaus sympathisch und nicht dumm. Sie? Ich würde sagen, sie wirkte auf mich von Anfang verwahrlost und das Wort Verantwortung war für sie ein Fremdwort. Man konnte ihm nur wünschen, dass er sich von ihr lösen würde, aber man weiß, was man liest, und das diese Variante, die unwahrscheinlichste überhaupt war.

Er, das war Jef Mittel, Sohn eines (verstorbenen) Anarchisten und einer ausgeflippten Mutter, der in einer Buchhandlung in Paris arbeitete, mit Charlotte liiert war und eine kleine Liebschaft mit einer reichen Amerikanerin unterhielt. Seine Freizeit verbrachte er in Anarchisten-Kreisen, bei denen er ein beliebter Zuhörer war - allen war klar, wer sein Vater war. Charlotte pflegte ebenfalls ihre Liebschaften, weiß aber das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Das Nützliche in ihrem Fall war, dass sie in der Lage war, einen ihrer Liebhaber zu erpressen. Bei einem letzten Treffen versuchte Charlotte eine stattliche Summe zu erpressen, damit die Druckkosten für die anarchisteneigene Publikation gesichert waren. Ging aber schief: es kam zu einem Streit, in dessen Verlauf Charlotte ihren Liebhaber erschoss.

Von Panik konnte keine Rede sein. Charlotte bewies kühlen Kopf, schnappte sich Jef und machte sich auf den Weg nach Dieppe, ihrem Geburtsort, von wo aus, sie in die ferne Welt aufbrechen wollte. Mit einem Laster fuhren sie bis in die Hafenstadt und machten sich auf die Suche nach einem Schiff, welches sie mitnahm. Sie hatten Glück, denn es gab einen Kahn, der sich auf den Weg nach Panama machte, noch in dieser Nacht und der Kapitän gewehrte den beiden jungen Leuten Unterschlupf.

Mopps war der Kapitän des Schiffes, und er konnte, wie Charlotte, kein reines Gewissen haben. Er war mit seiner »Croix-de-Vie« auf den Weg nach Lateinamerika, um an Aufständische Waffen zu verkaufen. Diese mussten erst einmal am französischen Zoll vorbeigeschmuggelt werden. Kein Problem für Mopps, für den das tägliches Handwerk war. Auf dem Schiff sorgte er dafür, dass es eine Zweiteilung gab. Jef wurde Heizer und musste sich unter Deck abschuften. Charlotte verbrachte die Reise größtenteils in der Kapitänskajüte, immer mit reichlich Essen versorgt und ihre einzige Sorge war ihre Langeweile.

Die kannte Jef nicht, der keinerlei Langeweile verspürte. Wurde er am Anfang noch belächelt, bewies er sich bald und wurde von seinen Kameraden akzeptiert. (Nur ein Einziger konnte sich mit Jef nicht anfreunden, aber der hatte auch seine Gründe.) Interessanterweise kommen sich auch Mopps und Jef näher. Das mag daran liegen, dass den Kapitän der Junge fasziniert und er sein Interesse an Charlotte langsam verlor, die in der Kapitänskajüte langsam verwahrloste. Jef, der nur ein Mit-Flüchtling war, wird befördert und muss den letzten Teil der Reise nicht mehr als Heizer arbeiten, sondern agierte als Deckarbeiter an der frischen Luft. Was auch seiner Gesundheit zuträglicher war.

In Panama angekommen, kristallisieren sich die ersten Probleme heraus: der Aufstand war schon im vollem Gange und die Behörden von Panama waren nicht bereit, das Schiff ohne weiteres passieren zu lassen. Bei den Schiffsagenturen hatte sich herumgesprochen, mit was für Ladung die »Croix-de-Vie« unterwegs war und sie ware nicht bereit, Geld für die notwendigen Kohlen auszugeben. Mopps muss sich in die Hände von zwielichtigen Gestalten begeben und macht sich auf den Weg nach Buenaventura, um dort seine Waffen loszuwerden. Dort angekommen, ist der Aufstand schon lange keiner mehr und Mopps liegt auf Reede. Er hat kein Geld mehr für die Kohlen und steht bei seinen Kreditgebern in Panama schwer in der Schuld. Hinzu kommt noch das Problem mit seinen beiden Flüchtigen.

Es kommt zu einem Deal mit einem steinreichen, aber etwas zwielichten Kaufmann aus Buenaventura. Die Waffen werden von diesem abgenommen und er nimmt Mopps auch Charlotte und Jef ab, die sich in der Hafenstadt niederlassen können und bei dem Mann beschäftigt werden. Buenaventura war zu der damaligen Zeit eine recht öde Stadt, wie Simenon den Lesern in zwei Erzählungen ebenfalls zu verstehen gibt. Charlotte ist wenig begeistert, in dieser Einöde abgesetzt zu werden, wusste aber, dass sie sich nicht beklagen durfte. So lebte sie in der folgenden Zeit mit Jef als Monsieur und Madame Gentil an diesem Ort.

Dann kommt ein Sohn zur Welt und Mopps schickt den Beiden ein Brief aus Tahiti.

Die Sympathien werden vom Leser schnell verteilt. So zwielichtig wie Mopps auch ist, so wird er auch in diesem Buch geschildert. Man weiß nicht recht, was man von ihm halten soll. Natürlich ist es eine Ungeheuerlichkeit, dass er sich mit Charlotte, die eigentlich die Frau von Jef ist, in die Kapitänskajüte zurückzieht. Charlotte zahlt auf diese Weise ihren Preis für die Überfahrt. Dann kommt der Augenblick in dem sich Mopps immer mehr um Jef kümmert und der windige Geschäftsmann zur See wird einem sympathisch, man lernt ihn schätzen. Ich bekam den Eindruck, dass es sich bei diesem Mann, der sich nur mit krummen Geschäften über Wasser halten konnte, um einen recht klugen Menschen handelte. Sein Handeln widersprach dem, zugegebenermaßen, schon oft. Aber dann kommt es nochmals zu einer Wende in dem Buch, und man muss seine Haltung zu Mopps noch einmal überdenken. Wenn es eine Variable in dem Buch gibt, dann ist es Mopps.

Jef dagegen ist eine Konstante. Sein Weg schien von der ersten Seite an vorgezeichnet. Er konnte nur verlieren. Während des Lesens fragt man sich nur, wann der Moment des endgültigen Niedergangs kommt.

Während wir uns als gewöhnliche Mitteleuropäer das Paradies vorstellen, wenn die Rede von Tahiti ist, scheint Simenon andere Erfahrungen gemacht zu haben. Man hat fast das Gefühl, er tat alles, um uns die Insel madig zu machen. Schon der junge Donadieu in »Der Bananentourist« verlor sein Leben auf dieser Insel.

Ein guter und lesenswerter Simenon, ein erster Versuch des Schriftsteller, das große Buch zu schreiben, das alles von ihm erwarteten. Das ist es sicher nicht geworden, aber Simenon gibt uns eine Flüchtlingsgeschichte an die Hand, ein Roadmovie zu Wasser.