Regine Zweifel: Paris in kleinen Dosen


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Wahrscheinlich fängt man die Geschichte gleich mit der ganzen Wahrheit an, bevor man etwas vor die Nase bekommt und einem alle Mögliche vorgeworfen wird: Ich kenne die Autorin des folgenden Buches, wir waren schon zusammen auf reisen und haben das eine und andere Bier gemeinsam getrunken. Beste Voraussetzungen für den berüchtigten Klüngel. Hilfreich ist es da vielleicht nicht, dass dann maigret.de im Buch auch noch hin und wieder als Fußnote auftaucht. Das nur vorne weg, bevor jemand auf die Idee käme, er hätte eine skandalöse Amiga-Amigo-Affäre entdeckt.

Trotzdem habe ich mich entschlossen, hier auf das Buch hinzuweisen. Die Gründe liegen für mich auf der Hand: Das Buch, ein Paris-Reiseführer, weist immer wieder auf Wirkungsstätten Simenons in Paris hin und auch Kommissar Maigret darf in der Kulisse nicht fehlen. Das mag nun auch in anderen Reiseführern der Fall sei, dass es mal eine Erwähnung gibt, aber hier fällt es besonders aus.

Reiseführer sind praktische Literatur, sie werden heraus geholt, wenn man sich auf den Weg zu dem Ort macht, der in dem Buch beschrieben wird und bereitet sich ein wenig auf das Abenteuer vor. Selten sind Reiseführer so geschrieben, dass man sie von Seite 1 bis zum Ende durchlesen würde. Die Sprache ist in solch nüchternem Ton gehalten, dass niemand auf die Idee käme, das Buch mal zwischendurch aus dem Bücherschrank zu nehmen und ein wenig drin zu stöbern. Diese Lücke, die so vielleicht noch keiner gesehen hat, wird von »Paris in kleinen Dosen« gefüllt.

Das beginnt mit der direkten Ansprache. Nicht »man« wird durch die Gegend geführt, sondern »Sie« und damit »Sie« persönlich. Sie sollen Paris so sehen, wie Regine Zweifel Paris entdeckt hat. Die kleinen Ecken und Gassen, das alte historische Paris, abseits vom großen Trubel um den Eiffelturm und der Avenue des Champs-Élysées, mit den vielen Läden, die man in jeder mittelgroßen Stadt auf dem Boulevard auch findet. Die Autorin hat sich zum Ziel gesetzt, die kleine Passagen zu erobern und lotst uns in die charmanten Restaurants und Bistros. Es werden keine Erwartungen geweckt, die später nicht erfüllt werden können: Sie werden darauf hingewiesen, dass Sie das Restaurant nicht besuchen sollen, weil es so lecker ist, sondern weil es eine ansprechende und seltene Jugendstil-Architektur ihr eigen nennt. Andere Restaurants sind halt ein wenig »vermüllt«, dafür schmeckt aber das Essen.

Nett natürlich auch, der Hinweis auf Läden, in denen es besondere Leckereien gibt - da bin ich voll in der Zielgruppe.

Das Buch ist in Spaziergänge unterteilt, die immer an bestimmten U-Bahn-Stationen beginnen. Man muss auf seinem Stadtplan - den man immer dabei haben sollte - sich nur die Metro-Station suchen und dann geht es los. Exakt wird beschrieben, wie man losgehen sollte und welches die Fixpunkte sind, was man sehen wird. Gelesen haben sollte man die Beiträge zu den Spaziergängen schon vorher, sonst rennt man nachher gegen einen Baum, einen Franzosen oder vor ein Auto. Außerdem kann man sich dann schon auf die erwähnten Leckereien-Produzenten und Restaurationen freuen.

Geht man durch eine solche Stadt wie Paris, so ist das reine Geschichte. So ist klar, dass das Buch ein Geschichtsbuch ist. Oft wird Geschichte als langweilig empfunden, aber nicht - und da kommen wir zu einem weiteren großen Pluspunkt - wenn sie so aufbereitet wird, wie es Regine Zweifel in ihrem Buch gemacht hat. Es wird nie langweilig, die Geschichten über die Könige, Kirchenleute, Revolutionäre und Künstler zu lesen - weil die Geschichten mit einem Augenzwinkern geschrieben werden. Und wer sich nicht dabei erwischt, laut aufzulachen, der sollte zum Arzt gehen und seinen Humor untersuchen lassen. Von den skurrilen Geschichten über Paris, die mir am Besten gefallen haben, sei nur die unendliche Geschichte des Elefanten an der Bastille erwähnt - wobei die Befreiung der Bastille schon eine eigene Komödie ist.

Regine Zweifelt hat das Buch als »Zweitbuch« bezeichnet, als Ergänzung zum Erst-Reiseführer. Das ist gewiss berechtigt, denn für die vielen Standard-Attraktionen finden sich keine Informationen. Aber wer dieses Buch hat, der braucht nur noch einen Marco Polo dazu, und dann reicht es. In diesem ist der Metro-Plan abgedruckt und das ist ausreichend. Von der Reihenfolge ist es vielleicht sinnvoll, das Zweitbuch zuerst zu lesen, weil es einem einen besseren Einblick in die Pariser Eigenwilligkeiten gibt und man dann weiß, was man will. Die Standardattraktionen kann man sich immer noch auf einer späteren Reise anschauen, bei den Schätzen, die Regine Zweifel gehoben hat, weiß man oft nicht, wie lang man sie noch so auffinden wird.

Eine gute Karte ist übrigens immer hilfreich, und da spreche ich sicher im Sinne von Regine Zweifel, man sollte sich nicht auf die Karten verlassen, die es gratis im Hotel gibt.

Kleinere Anregungen hätte ich dann auch noch, um es nicht Kritikpunkte zu nennen: Das Buch kommt mit einem festen Einband und sehr gutem Papier, dadurch ist das Buch aber recht schwer geworden - was vielleicht für den Spaziergang nicht so schön ist, zu dem man das Buch sicherheitshalber mitnehmen möchte. In Richtung Ästhetik geht dagegen der zweite Kritikpunkt, und damit gar nicht an die Autorin sondern die Produzenten: Das Buch wimmelt von Hurenkindern. Ich weiß ja, dass es Arbeit macht, diese zu umgehen und zu beseitigen, aber das gehört nun mal zur Arbeit dazu.

Leider hat die Autorin keinen Verlag für ihr Buch gefunden und hat den mutigen Schritt gewagt, und es im Eigenverlag herausgebracht. Es kostet 24,95 Euro und kann beim örtlichen Buchhändler unter der ISBN 978-3-00-028114-3 bestellt werden.