Unter vernünftigen Gesichtspunkten


Wenn ich es mir recht überlege, sind die Zeiten doch immer interessant. In welcher Zeit man auch lebt, uninteressant war es für die jeweils lebenden Zeitgenossen nie. Irgendwas ist immer los. Gewiss hat sich er Sklave im alten Rom nicht darum gekümmert, wie es den Ureinwohnern in Nordamerika geht; und später hat sich ein kolonialisierter Inder auch nicht wirklich um das geschert, was im deutsch-französischen Krieg so los gewesen ist - während wir heute solche Nachrichten frei Haus bekommen und vielleicht deshalb der Meinung sind, dass die Zeiten irgendwie schlimm wären. Würde man sie jedoch an dem des Sklaven, Indianer, Inder oder Soldaten des deutsch-französischem Krieges oder ganz gewiss ganz vielen anderen messen, müsste sich nach vernünftigen Maßstäben bei vielen Menschen die Sorgen in Wohlgefallen auflösen.

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Aber darum sollte es gar nicht gehen: Ich kam darauf, weil ich den Eindruck habe, dass im Augenblick versucht wird, mit Simenons uns insbesondere mit Maigret-Romanen richtig Kasse zu machen. Meine Vermutung ist, dass da, wo ein Anbieter ist, vermutlich auch ein Käufer ist. Also zumindest ein Teil der Angebote, die ich zur Zeit sehe, auch wirklich gekauft wird. Ich sehe keinen vernünftigen Grund, im Augenblick ein Buch von Simenon, welches vor sechs oder sieben Jahren erschienen ist, für nahezu einhundert Euro zu kaufen. Da muss man doch wirklich die Kirche im Dorf lassen! Die Rechte liegen (leider) nicht mehr bei Diogenes. Das ist bedauerlich, da der Autor Simenon dort in den letzten vierzig Jahren sehr gut betreut worden ist. Als Simenon-Leser konnte man sich im Großen und Ganzen nicht beklagen. Natürlich gibt es Lücken, die auch ich gern geschlossen sehen würde. Diese “realen Lücken” beziehen sich aber auf das autobiographische Œuvre des Autoren und einige Erzählungen. An Romanen ist alles erschienen, was nur erscheinen kann. Auch die Werke, die handwerklich eher schwach waren.

Die Rechte gehen also an einen neuen Verlag. Ich weiß zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht, was das für ein Verlag sein wird und habe auch im Internet noch keine Spuren entdecken können. Aber wenn ich etwas in den letzte Jahren gelernt habe, dass die Familie Simenon die Rechte an dem Werk nicht verschenkt. Wer also auch immer die Rechte nun hat, er wird sie nutzen wollen und müssen. In absehbarer Zeit werden wir also sehen, dass es Simenon-Veröffentlichungen geben wird und ich gehe jede Wette ein, dass die Maigrets dabei an erster Stelle stehen werden.

Ob der neue Verlag gewillt sein wird, Lücken zu schließen, die es in den deutschsprachigen Veröffentlichungen noch gibt, vermag ich nicht zu sagen. Vielleicht wird es eine Fokussierung auf das »Best of« von Simenon geben, wer weiß. Erhoffen tue ich mir anderes. Aber ich bin ja auch nur Liebhaber, Sammler und Fan und habe das große Ganze nicht im Blick, zumindest nicht den Blick eines Controllers.

Es gibt aber keinen Grund jetzt wie dolle Maigrets und Simenons zu kaufen. Wenn ich ein Roman lesen möchte, würde ich warten. Wenn ich Lücken in der Diogenes-Maigret-Werkausgabe habe - ich würde warten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die gegenwärtigen Preise eine Blase sind.

Wobei es Ausnahmen gibt, auf die ich ein wenig später zurückkommen werde…