Chemie

Eingeschläfert

Über Bromsalze


»Wenn Sie die Wohnung durchsucht haben, und ich nehme an, dass Sie das getan haben, dann müssen Sie in einer Schublade Röhrchen mit einem Bromsalz gefunden haben...«

Das erzählte Charles Dandurand Maigret, als dieser den Mord an Cécile untersucht. Die Tante sorgte so dafür, dass ihre Treffen mit Dandurand unentdeckt blieben.

Meine Kenntnisse auf dem Gebiet von Schlafmitteln tendieren gegen null. Mir wurden welche verschrieben, da ich bei Dienstreisen nach Malaysia doch geraume Zeit Schwierigkeiten hatte, nachts zur Ruhe zu kommen. Gern habe ich das nicht getan, zumal als unangenehme Nebenwirkung ein merkwürdiger Geschmack zu verzeichnen war.

Aber Bromsalze klang für mich sehr, sehr merkwürdig. Eines der ersten Suchergebnisse war aber ein SPIEGEL-Artikel aus dem Jahr 1975. In diesem Artikel wird klargemacht, dass es sich bei Bromsalzen durchaus um sehr wirksame Schlafmittel handelt, die sogar frei verkäuflich waren, da sie als harmlos galten. Aber Mediziner und Pharmakologen schon lange dagegen wetterten, weil die Nebenwirkungen dieses Schlafmittels verheerend waren.

Es handelte sich bei Bromsalz um Kaliumbromid.

Ein nicht wichtiger Aspekt dürfte gewesen sein, dass man schnell davon abhängig wurde. Angeblich waren sie harmlos, aber wenn man Selbstmord mit diesen Mitteln begehen wollte, so klappte das auch sehr oft.

Wird man regelmäßig und überdosiert mit Mitteln auf Basis von Bromsalzen versorgt, so treten sehr unangenehme Nebenerscheinungen ein: Es kommt unter anderem zu Konzentrationsproblemen, Verwirrung, Schlaflosigkeit (was in dem Zusammenhang einer gewissen Ironie nicht entbehrt) und es kann zu Ausschlägen im Gesicht und am Oberkörper kommen. Der Effekt wird Bromismus genannt.

Da darüberhinaus in der Geschichte darauf nicht eingegangen wird, kann man jedoch davon ausgehen, dass Cécile unter diesen Symptomen nicht litt – dann wäre sie eher bei einem Arzt gelandet, denn bei Maigret. Außerdem empfing die Tante ihren Berater auch nicht jeden Tag, so dass sie das Mittel eben nicht in der Häufigkeit verabreicht bekam, die solche Wirkungen wie beschrieben hervorrufen.

Ich habe jetzt nicht genau ermitteln können, seit wann die negativen Effekte dieser Schlafmittel bekannt waren. Es ist gut möglich, dass dies zu der Entstehungszeit der Geschichte noch nicht bekannt war oder keine Rolle spielte. Allerdings wurden schon in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts diese Mittel langsam durch Barbiturate verdrängt.