Die 22

Die 22

Die Nichtexistenten


Die erste Adresse mit Hausnummer, die in dem Roman »Maigret verliert eine Verehrerin« genannt wird, ist die von Berthe Pardon. Sie soll in der 22 Rue de Ordener leben. Wenn man die Adresse prüft, stellt man schnell fest, dass dies ein Ding der Unmöglichkeit ist. Es befindet sich kein Haus an der Stelle.

Vielmehr handelt es sich um ein Grundstück, dass man der Bahn zurechnen muss. Es liegen jede Menge Gleise dort, die den Gare du Nord mit dem Rest der Welt verbinden. Schaut man sich die Bebauung dort an, kann man sich auch nicht vorstellen, dass das jemals anders gewesen ist.

Im letzten Drittel der Geschichte schickt Maigret Torrence in die Rue du Pas-de-la-Mule. Von der Straße ist in der Geschichte immer wieder die Rede, denn der Bruder von Berthe, Gérard, lebt mit seiner Frau in dieser Straße. Da Maigret Torrence nicht irgendwo in die Straße schicken kann, wie es auf dem ersten Blick aussieht, nennt er ihm eine Straßennummer: auch die 22. Es ist kein Ding der Unmöglichkeit, aber schon eine Auffälligkeit, dass der Bruder in der gleichen Hausnummer wohnt wie seine Schwester.

Interessant ist natürlich, dass auch dieses Haus nicht existiert. Noch nicht einmal ein Grundstück. Keiner hätte das besser wissen können, als Simenon selbst. Denn die Straße liegt in der unmittelbaren Nähe des Place des Vosges, an dem Simenon jahrelang gelebt hat. Damit wusste er, dass es sich bei der Rue du Pas-de-la-Mule um eine ganz kleine Straße handelt, die in den Place des Vosges übergeht, um dann weitergeführt zu werden in der Rue des Francs Bourgeois. Eine »22« als Hausnummer erreicht sie bei weitem nicht.

Insofern hätte Maigret Torrence auch ohne Hausnummer in die Straße schicken können. Mit Durchfragen wäre er auch bei der Familie Pardon gelandet. Zumal der Mann gerade in der Zeitung gewesen war.