Über die Story

Es beginnt spektakulär. An der Côte d’Azur vergnügt sich Petit Louis damit, Boule zu spielen. Diesen Sport beherrscht er perfekt und er kann in dem kleinen Ort Le Lavandou richtig auftrumpfen. Es gibt nur einen vor Ort, der ihn schlagen könnte und das ist der Postmeister des Ortes. Dieser nimmt die Herausforderung an und so kommt es an einem Abend im Juli zum Duell. Der Postmeister gegen den jungen aufmüpfigen Fremden.

Petit Louis behauptet sich am Anfang gut und kann es sich erlauben, den Postmeister zu verspotten. Dann, und dies fiel sicher auch den zahlreichen Zuschauern auf, wurde der Fremde nervös und vergab Punkte. Der Postmeister konnte aufholen und das große Gehabe von Petit Louis verschwand nach und nach. Dann, wie eine Wende, hellte sich die Miene von Petit Louis auf und er spielte so großartig auf, wie er begonnen hatte; konnte es sich der junge Mann wieder erlauben, große Töne zu spucken.

Den Grund für die plötzliche Nervosität sollte man kurze Zeit später erfahren. Der Postmeister ging in seine Filiale, um Geld zu holen: er hatte seine Schuld zu begleichen. Dabei machte er eine erschreckende Feststellung: in der Zeit, in der er sich mit dem jungen Burschen um die lokale Boule-Krone stritt, hatten Räuber seine Filiale ausgeräumt. Man kann sich vorstellen, dass es in diesem Ort, der noch nicht einmal eine Bank hatte, es große Ahs und Ohs gab, wenig Verständnis für die Räuber herrschte, denn alle hatten das Gefühl, sie wären bestohlen worden.

Dem Leser wird schnell klar, dass es sich bei Petit Louis um einen Lockvogel handeln musste, eine Rolle, die er perfekt ausfüllte. Allerdings nur auf dem ersten Blick. So großspurig wie er sich im Spiel gab, so gab er sich auch im Anschluss, als er mitbekam, dass seine Komplizen einen erfolgreichen Coup gelandet hatten. Er schleppte von seinem Spiel- und Schlachtfeld Constance Ropiquet ab, die in dem Ort Urlaub machte und sich unsterblich in den jungen Beau verliebt hatte. Petit Louis hatte das mit scharfen Blick erkannt und steuerte nach seinem doppelten Coup zielstrebig auf die Mittfünfzigerin zu, schleppte sie, wenn man es so sagen darf, ab. Constance, die in Nizza lebte, war fasziniert. Louis sah in der Frau seine künftige Geldquelle, eine Art Schutzschild vor der Polizei, nicht wissend, dass Constance von einem Mann ausgehalten wurde, der sie einmal im Monat besuchte.

Das großspurige Auftreten des jungen Mannes blieb auch der Polizei nicht verborgen und sie konnte sich schnell denken, dass Louis nur der Wurm gewesen ist, mit dem man das Dorf geraume Zeit zu fesseln dachte. Im direkten Verhör lässt sich aus Petit Louis Nase nichts herausziehen, da schwieg er wie ein Grab und man kann es sich richtig vorstellen. wie er den Polizisten, dem langsam die Galle hochstieg, ins Gesicht lachte. Kaum freigelassen (oder entlassen, besser gesagt) nutzt der Boule-Spieler die Gelegenheit, um sich vor seiner neuen Freundin mit den Taten zu brüsten. Die nichts Besseres zu tun hat, diese Informationen unter der Hand an Bekannte weiterzureichen. Es reicht aber nicht, um Petit Louis festzunageln - »ich habe gehört, dass jemand gehört hat, der gehört hat« wird vor Gericht nicht als Beweis oder Zeugenaussage angesehen.

Der Urlaub endete also im Guten und Petit Louis machte sich mit Constance zurück auf dem Weg nach Nizza. Großzügig bietet sie Petit Louis an, ihn bei sich wohnen zu lassen. Da muss Louis, der ziemlich blank ist, nicht lange überlegen. Der Einzug in die Wohnung der Frau war beschlossene Sache. Während Constance von einem seeligen Liebesleben geträumt hat, hat der Boule-Spieler ganz andere Pläne: er holt seine Freundin Lulu aus dem Bordell, stellt sie Constance als seine Schwester vor und macht es sich in der Wohnung gemütlich. Constance ist nicht geizig: sie gibt Louis nicht viel Geld, aber dafür regelmäßig. Es macht ihr nichts aus, dass er ihre Geschenke verkauft. Sie duldet es auch, dass die »Schwester« in ihrer Wohnung lebt.

Nun ist es mit Lulu nicht ganz so einfach. Sie waren liiert, daran bestand kein Zweifel, aber Lulu gehörte Petit Louis nicht. Der »Besitzer« war immer noch Gène. Dieser war ein Kumpel von Louis, der Lulu schon überschrieben hatte: nur war Petit Louis mit seinen Zahlungen sehr im Verzug. Bisher hatte Gène keinen Centime gesehen, so war davon auszugehen, dass er nicht begeistert war, als er hörte, dass Petit Louis Lulu zu sich geholt hatte. Hinzu kommt, dass Gène der Kopf des Bruchs in La Lavandou gewesen war und von der Leistung Louis sicher beeindruckt war, aber nicht sonderlich erbaut davon, dass der junge Mann mit seiner Leistung überall prahlte, so dass man befürchten musste, dass die Polizei dahinter kommen würde. Sprich: es sah so aus, dass Gène so sauer auf Petit Louis war, dass eine Abreibung unausweichlich war.

Diese Abreibung kommt, aber ganz anders als sie sich von Petit Louis vorgestellt wurde. Er kommt eines Tages »nach Hause« und findet Constance mit durchgeschnittener Kehle auf. Für ihn ist klar, dass dies Gène war, der geschickterweise alles so getürkt hat, dass es auf Petit Louis hindeutete. Ihm bleibt nur eine Chance, alles so zu drehen, dass es aussah, als wäre Constance Ropiquet verreist.

Petit Louis ist geschickt, keine Frage, ihm ist auch ein gewisser Witz nicht abzusprechen. Dann verfängt er sich in seiner unglaublichen Selbstüberschätzung und statt nach einer Möglichkeit des geordneten Rückzugs zu suchen, versucht er sich durchzulavieren. Das dies nicht gut gehen kann, wo schon die Polizei ein Auge auf ihn geworfen hat, dürfte klar sein. So landet Petit Louis auch bald in den Fängen der Justiz.

Darf man Mitleid haben, fragt man sich, während man das Buch liest? Der Mann hat einiges auf dem Kerbholz und einen Mord, nun ja, man würde ihm diesen zutrauen. Aber Constance hatte er nicht umgebracht. Nun gerät er durch seine eigene Dummheit in die Fänge der Justiz, die sich die Mühe macht, die ganzen schwarzen Stellen seines Lebens hervorzukramen, dass Petit Louis in einem sehr schlechten Licht dasteht. Da war es fast egal, ob er seine Geliebte umgebracht hat oder nicht: jeder glaubt, dass er getan haben könnte. Und das kann reichen.