Über die Story

Sie haben die Wahl: entweder Sie halten sich an den Tatsachenbericht oder Sie nehmen die Romanform. Beides aus der Hand von Simenon - wann hat man schon einmal so eine Wahl? Möchten Sie den Tatsachenbericht haben, müssen Sie ein wenig suchen. Bisher wurde der Artikel »Das Geheimnis der Galapagos-Inseln« nur einmal veröffentlicht. In einem Band von »Schwarze Beute« findet sich der zusammengefasste Artikel, der im Original über mehrere Zeitungsausgaben hinweg veröffentlicht wurde.

Simenon war damals, nach eigenen Bekenntnis rein zufällig in der Nähe gewesen und konnte deshalb »brühwarm« von den Ereignissen der Zeitung berichten. Heraus gekommen war eine Artikelfolge, die mehr Fragen aufwarf, als sie lösen konnte. Denn das Rätsel, dass laut dem Buchtitel von Margret Wittmers Buch »Postlagernd Floreana« als Galápagos-Affäre die gesamte Weltpresse beschäftigt hat, wurde nie gelöst. Was genau passiert war, wird sich auch heute nicht mehr rekonstruieren lassen. So kann sich der, der mehr an einer erzählerischen Aufbereitung interessiert ist, problemlos an »... die da dürstet« wagen.

Er hatte die Idee gehabt, nur er: Dr. Franz Müller war nicht begeistert, dass seine Artikel solcherart Echo ausgelöst hatten. Publizität war ihm recht, aber das sich andere Leute angesprochen fühlten, ihm auf die Insel zu folgen, löste in ihm Befremden aus. Hätte er nicht schwärmerisch berichtet, könnte er die Spaziergänge allein machen, dann wäre er mit seiner Lebensgefährtin Rita allein auf dieser Insel. Das war Vergangenheit. Nun hatte nicht nur der Doktor sich hier sein Leben eingerichtet, sondern auch die Herrmanns. Sie waren aufgrund seines Artikels gekommen. Es war natürlich paradox: einerseits will man natürlich schildern, wie es sich als Aussteiger lebt, man will auch, dass es einem andere gleichtun, aber doch nicht unbedingt auf der Insel, auf der man selber ausgestiegen war. Den Gedanken kann man durchaus weiterspinnen. Wenn man ausgestiegen ist und sich in der Einsamkeit niedergelassen hat, dann ist man niemandem mehr verpflichtet, außer sich selbst (und dem Lebensgefährten). Kommen andere nach, dann verändert sich das Leben und der Mensch fängt unwillkürlich an, eine Art Zivilisation aufzubauen. Regeln.

Die Herrmanns waren aber das geringere Übel auf der Insel. Das Schlimmste sollte noch kommen. Eine Frau, die sich Gräfin von Kleber nannte, kam eines Tages »hereingeschneit«. Sie nahm von den »Ureinwohnern« marginal Kenntnis und informierte sie kurz über ihre Pläne. Sie wäre reich, sie wäre bekannt und sie würde ab sofort die Macht auf der Insel übernehmen. Als Gräfin hätte sie gute Kontakte zu zahlreichen Regierungsstellen und es würde nur noch eine Frage der Zeit (einer vermeintlich kleinen Zeitspanne sein), bis man ihr die Insel überantworten würde. Ein Albtraum für den Doktor. Es kommt aber noch schlimmer: die Gräfin teilt den verdutzten Inselbewohnern (das klingt zahlreich, ist es aber gar nicht) mit, dass sie mit allen Menschen die Freude des »Aussteigens«, des Lebens in der Natur teilen möchte und deshalb plane, ein Hotel einzurichten. So richtig mit Bar und komfortabel ausgestatteten Zimmern (inklusive Badewanne).

Selbst ein Laie merkt schnell, dass die Frau zwar einen Plan aber weder Gewissen noch Wissen hat. Sie kennt die Insel nicht und hat von ihr nur als Paradies gehört. Das so ein Paradies auch allerlei Tücken hat, wird ihr erst nach und nach auf der Insel bewusst. Regenzeit und Trockenzeit hört sich zwar ganz nett an und man kann, da es eingängige Wort sind, sich auch etwas darunter vorstellen. Was für einen Einfluss diese beiden Zeiten auf das Leben auf so einer Insel hat, ist mir unbekannt und der Gräfin in diesem Buch war es auch unbekannt.

Sie nimmt erst einmal die Herrmanns in Beschlag und sorgt dafür, dass diese ihr Hotel aufbauen. Sie hat zwei junge Männer mitgebracht, die ihr beide hörig waren. Nur so war es zu erklären, dass diese sich auf diesen Trip einließen. Die Gräfin bringt nicht nur das Gefüge auf der Insel gehörig durcheinander, sondern auch in ihrer eigenen Dreier-Beziehung. Sie tauschte ihre Gunst einfach aus - das geht in der Regel nicht ohne Probleme vor sich.

Der Doktor ignorierte die Gräfin so gut wie es ging. Rita und er lebten ihr eigenes Leben. Sie waren damit beschäftigt, für ihr Leben zu sorgen. Das hieß, den Garten zu versorgen, das Haus zu warten und Vorräte für die Trockenzeit anzulegen. Die Gräfin feierte derweil ihre Feste, wartet auf Gäste, die nicht kommen wollten, und verprasste die mitgebrachten Vorräte. Dr. Müller hätte mit einer gewissen Schadenfreude beobachten können, wie die Gesellschaft um das Hotel immer mehr auseinander bricht: die Vorräte gingen zu Neige und man hatte plötzlich um das Überleben zu kämpfen. Der aus der Dreier-Beziehung ausgestoßene Mann hatte keine Lust mehr, nur noch zu arbeiten und wie ein Sklave behandelt zu werden. Herrmann findet mehr und mehr zum Doktor, verbringt seine Tage damit, zu berichten, was bei der Gräfin vor sich geht, während dessen Frau damit beschäftigt ist, die Gräfin und ihren Anhang zu verköstigen. Rita hörte Herrmann noch interessiert zu, den Doktor selber scherte es nicht.

Da Simenon sich eng an die wahren Begebenheiten hält, ist es unausweichlich, dass es zu einer Katastrophe kommen muss.