Über die Story

Eine Geschichte, die man mit großem Unbehagen sieht. Maigret mag man, wer ihn nicht mag, liest nicht die Maigret-Erzählungen. Sieht man den Held der Geschichte, in einer verzwickten, vielleicht ausweglosen Situation, fühlt man sich persönlich angegriffen. Simenon hat es in dieser Geschichte geschafft, Maigret in die Ecke zu drängen.

Mitten in der Nacht klingelt das Telefon beim Kommissar, schlaftrunken meldet er sich. Am anderen Ende der Leitung hört er eine junge Frau, die ihn um Hilfe bittet. Die Geschichte: sie sei aus der Provinz nach Paris zu ihrer Freundin gekommen. Die hätte sie mit tatkräftiger Unterstützung eines jungen Mannes versucht, tja, hier werden wir leider im Unklaren gelassen, denn in der Erzählung rennt sie erst einmal davon, um sich dann bei Maigret zu melden, um Hilfe zu bitten, da sie ihre Sachen und ihr Geld zurückgelassen hätte. Mensch wie Maigret ist, macht er sich auf den Weg zur Bar, lässt sich die Geschichte von dem Mädchen nochmals erzählen, bringt sie in ein Hotel und, da sie sehr betrunken ist, auch zu Bett.

Am nächsten Morgen wird Maigret zum Polizeipräfekten zitiert. Obwohl er keine Ahnung hat, worum es geht, hat er doch ein mulmiges Gefühl. Die Administration sei sehr empört. Ein Monsieur Jean-Baptiste Prieur, seines Zeichens Berichterstatter beim Staatsrat, hatte sich beim Innenminister beschwert, das sich ein berühmter Kommissar versucht hat, an seiner Nichte zu vergreifen. Die Sache kam von oben, der Polizeipräfekt, nicht sehr aufgeschlossen gegenüber dem »alten« Kommissar, schenkt der Geschichte von Nicole Prieur glauben. In der Nacht hatte sie sich noch als Nicole Carvet, Tochter eines Friedensrichters in La Rochelle, vorgestellt. Aber das interessierte den Präfekten nicht: er gibt ihm die Aussage des Mädchens zum Lesen, verbietet ihm aber, sich mit dem Fall zu beschäftigen.

Hat Maigret sich daran zu halten? Am Anfang schon, aber dann fängt er an zu kämpfen. Jemand versucht ihm eine Falle zu stellen. Wer kann daran ein Interesse haben?

Da gibt es schon verhältnismäßig viele Männer in Paris, die glauben, eine Rechnung mit dem obersten Kriminalen offen zu haben. Aber wie sagt es Manuel Palmari, den Maigret aufsucht, die würden sich nicht solcher perfiden Methoden bedienen, sondern dem Kommissar einfach eine Kugel verpassen. Es ist Aline, die Freundin Palmaris, die trotz der permanenten Überwachung durch Maigrets Inspektoren, dem Kommissar den entscheidenden Anstoß gibt:

»Wenn Sie meine Meinung hören wollen, das Mädchen ist nach einem Mann verrückt, der mit ihr macht, was er will. Er hat ihr diktiert, was sie sagen sollte, und er hat das Szenario zusammengestellt. An dem Tag, an dem Sie ihn fassen werden…«

Jetzt fängt der Kommissar an, sich bewusst über die Anweisung des Präfekten hinwegzusetzen. Er lässt heimlich Fotografien von Nicole machen, holt Informationen an der Sorbonne ein (Lucas hat dort einen Cousin, der Portier ist), an der sie studiert, und spürt in deren Verwandtenkreis nach.

Es dauert nicht lange, da rührt sich auch die Gegenseite. Maigret wird von seinem Chef mitgeteilt, dass man über jeden seiner Schritte informiert sei, dass man es nicht dulden würde, dass er in diesem Fall anfängt zu recherchieren und er mit sofortiger Wirkung beurlaubt sei. Die andere Seite hat sehr starke Waffen…

Nun ist zwar Juni und unzweifelhaft schon Urlaubswetter, aber mit einer Beurlaubung solcher Art, wie sie den Herren an der Polizeispitze vorschwebt, gibt sich Maigret nicht zufrieden. Geht es schief, dann erfolgt seine Pensionierung nicht in drei Jahren, wie Maigret seinem Freund Pardon vorrechnet, sondern zu einem sehr viel früheren Zeitpunkt.