Bemerkenswert an den »Intimen Memoiren« finde ich, wie wenig das schriftstellerische Schaffen eine Rolle spielt. Zwar werden hin und wieder Werke erwähnt, die in dieser und jener Schaffensperiode entstanden sind. Über eine Erwähnung hinaus geht es nicht hinaus. Das trifft auch im Großen und Ganzen auf seine Verhandlungen mit Verlagen und Filmstudios zu.
Später, da fällt mir immer noch etwas ein, wie beispielsweise die Erwähnung von Simenon, dass »Broadway« so viel heißt wie »breiter Weg«, und ich musste kichern, da die Potsdamer ihre Haupteinkaufsstraße auch »Broadway« nennen, der aber gar nicht so breit ist und zusätzlich eine »Breite Straße« haben, die in der Tat sehr breit ist.
In Tucson hatte Simenon eine Hazienda gefunden, die ihn mehr als begeisterte. Genau begeistert war er von der alten Dame, der die Villa gehörte. An einen Kauf dachte er nicht und die Frau hätte auch nicht verkauft; an einen längeren Aufenthalt aber durchaus. Die Besitzerin des Hauses, Madame Kingham, wollte sich jedoch nicht festlegen.
Man lehnt sich nicht sehr wie aus dem Fenster, wenn man behauptet, das Louis C. Taylor in Simenons Leben keine Rolle spielte. Umso erstaunlicher ist es, dass ich bei der Geschichte dieses Mannes hängen blieb, der wahrlich einem Simenon-Roman entsprungen sein könnte. Der Berührungspunkt ist ein Hotel namens »Pioneer« in Tucson, in welchem Simenon im Jahr 1947 nach seiner Ankunft in der Stadt logierte.
Vor etwa fünfzehn Jahren waren wir ebenfalls in der Ecke, in der sich Simenon nun herumtrieb. Insofern kann ich Simenons Begeisterung für die Städte mit ihrem Flair durchaus nachvollziehen. In den Innenstädten hat sich das Flair schon gehalten. Hinzugekommen sind wahrscheinlich Wolkenkratzer an jeder Ecke, die Simenon so nicht gesehen haben dürfte. Dominiert wird das Kapitel aber von Wasserlebewesen.
Es ist vielleicht keine wirklich gute Nachricht, wenn ich hier verkünde, dass die »Intimen Memoiren« im Augenblick auf Platz 712 der Amazon-Bestseller-Liste stehen, weil ich noch einschränkend hinzufügen muss, dass dies nur in der Rubrik »Geschichte & Kritik - Europäische Literatur« gilt. Es gibt noch zwei weitere Kategorien, wo der Platz im vier- bzw. fünfstelligen Bereich liegt. Ich verstehe das ganz gut.
Ein Absatz, der aus einem Satz besteht, widmet Simenon in diesem Kapitel einem seiner intensivsten Romane: »Drei Zimmer in Manhattan«. Es wäre sein erster Roman über Leidenschaft gewesen und er habe ihn in Sainte-Marguerite geschrieben, mehr lässt er nicht verlauten. Eine Anekdote erzählt er über »Maigret in New York«. Denyse sagte, dass Simenon ihn geschrieben habe und Whisky wäre mit von der Partie gewesen.
Das war Kapitel 23 und Simenon ist immer noch hauptsächlich mit Denyse beschäftigt. Er hatte sie als Sekretärin eingestellt und da er die meiste Zeit zu Hause arbeitet, wird von ihr natürlich auch erwartet, dass sie in seiner Nähe arbeitet. Vorerst hatte sich Simenon noch nicht getraut, Tigy die Tragweite seiner Entscheidung mitzuteilen. Vorerst war Denyse für sie einfach nur eine Sekretärin und nicht mehr.
Sheldon Cooper, wie Maigret ein fiktionaler Charakter, erkennt die hektischen Zeichen seiner Freunde nicht und plaudert über das, was ihm sein Freund über sein Sex-Leben erzählt hat, vor dessen Freundin. Dabei bekommt er nicht mit, dass das sowohl seinem Freund wie auch dessen Freundin sehr peinlich ist. Jeder kann sich in sie hineinversetzen. Nur Sheldon braucht ein wenig länger. Aber er kommt irgendwann drauf und lernt daraus.
In weniger als einem Monat sieht man Simenon wieder frisch in den Regalen stehen. Nicht nur die Maigrets, sondern auch die Intimen Memoiren. So ist klar, dass ich bis dahin nicht fertig sein werde. Schließlich ist nicht das Lesen das, was die Zeit frisst, es der Rückblick und das Schreiben. In diesem Abschnitt, dem 20. Kapitel, geht es um die erste Zeit in Amerika, in der Simenon sich um Verträge und Frauen kümmert.
Wiederum beginne ich mit einem kleinen Nachtrag. Simenon konnte sich nicht mehr an den Namen seiner neuen Sekretärin erinnern und nennt sie in dem Buch deshalb Odette. Ist eigentlich bekannt, ob sich Odette im Nachgang dieser Memoiren bei Simenon gemeldet hat, um noch einmal ihren Namen Preis zu geben? Wäre ein netter Zug, der Neuauflagen der »Intimen Memoiren« sicher gut gestanden hätte.
Was ich wirklich faszinierend finde, wie schnell man manchmal Beziehungen zwischen dem eigenen Erlebten und Simenons Leben und Werk herstellen kann. Letztes Wochenende hatte ich das zweifelhafte Vergnügen die Auslegware unseres Wohnzimmers zu reinigen, das Wochenende davor war aber wirklich schön: Da waren wir in Berlin und erlebten das erste Deutschland-Konzert von Burt Bacharach.