Über die Story

Maigret hatte bis zum Telefonklingeln sehr unruhig geschlafen, wenn man von Schlaf reden konnte. Nichts sprach dafür, das Telefonklingeln zu ignorieren und so nahm Maigret den Hörer ab. An sein Ohr drang die Stimme von Dr. Pardon. Pardon machte auf Maigret einen nervösen Eindruck und wünschte den Kommissar in seiner Praxis zu sehen.

14. Januar. Es war ein höllisch kalter Tag, selbst am Tag waren es zwölf Grad unter Null. Es fuhren kaum Autos, und die, die fuhren, stellten sich allzu oft quer auf die Straße. Die Leute, die zu Fuß unterwegs waren, erging es auch nicht besser: sie purzelten, wo sich die Gelegenheit bot. Bei einem solchen Wetter machte sich Maigret auf zu Dr. Pardon. Den Weg hatte er am Abend schon einmal zurückgelegt mit seiner Frau, als sie vom monatlichen Treffen zurückgekehrt waren.

Pardon hatte eine missliche Erfahrung gemacht – er wurde hereingelegt. Er erzählt Maigret von einem nächtlichen Besuch, den er bekommen hat. Ein Mann brachte eine Frau in seine Praxis, die eine Rückenverletzung hatte. Während der Behandlung »fischt« Pardon eine Kugel aus der Wunde, die stark blutet. Er fragt nach und erhält von der Frau keine Antwort (sie redet übrigens die ganze Zeit nicht). Dafür aber der Mann: er wäre auf der Straße hinter der Frau gegangen und hätte extra etwas Abstand gehalten, um ihr nicht das Gefühl zu geben, sie werde verfolgt (wie nobel!). Da wäre ein Wagen vorbeigefahren und aus diesem wäre ein Schuss auf die Frau abgegeben worden, die getroffen zusammensank. Er wäre ihr zu Hilfe geeilt und hätte eine ältere Frau befragt, wo in der Nähe ein Arzt wäre. Diese hätte ihm Dr. Pardon empfohlen. Pardon hatte die Frau verbunden, wäre kurz aus dem Behandlungszimmer gegangen und als er eine Minute später wiederkam, waren die Patientin und der noble Retter verschwunden gewesen. Von der Straße hätte er nur noch das Röhren eines Sportwagens gehört.

Einen besonders gescheiten Eindruck machte Dr. Pardon in dem Augenblick, in dem er seine Schilderung beendete, nicht. Maigret tröstete ihn kurz, lässt sich eine Beschreibung von dem Paar geben und macht sich auf den Weg zum Quai des Orfèvres.

»n’Abend, Kinder… Ruft gleich mal alle Krankenhäuser und alle Privatkliniken in Paris an… Ich will wissen, ob sich heute nacht nach halb zwei dort zwei Leute gemeldet haben – ein Mann und eine Frau. Es kann auch sein, dass die Frau, die eine Rückenverletzung hat, allein gekommen ist. Hier die Personenbeschreibung…«
Er bemühte sich, das, was er von Pardon wusste, zu wiederholen.
»Fangt mit den Ost-Vierteln an.«
Während die drei Inspektoren an die Apparate stürzten, ging er in sein Büro, machte Licht, zog den Mantel aus und nahm den dicken Schal ab.
Er glaubte kein Wort von dem Schuss aus einem vorbeifahrenden Wagen. Das sind Gangstermethoden, und ihm war noch kein Gangster mit einer 6,35er vorgekommen. Dazu war nur ein Schuss gefallen – etwas höchst Seltenes, wenn aus einem Wagen geschossen wird.

Kurze Zeit später meldet eine Streife, sie habe einen roten Alfa Romeo vor Dr. Pardons Haus gesichtet und zwar zu dem Zeitpunkt, als die Frau und der Mann bei dem Arzt waren. Es werden die Bahnhöfe und Flughäfen kontrolliert und siehe da, am Flughafen findet sich ein roter Alfa. Kurze Zeit später, weiß Maigret, dass zwei Passagiere, auf die die Beschreibung passt, in Richtung Amsterdam unterwegs waren. Von seinem Kollegen in Amsterdam weiß er am frühen Morgen, wer die beiden Passagiere waren, wo sie in Amsterdam wohnten und was sie so machten. Kurz darauf erfährt er aus dem Munde einer Putzfrau, dass sie ihren Arbeitgeber tot aufgefunden hat.

Monsieur Nahour lag hinter seinem Schreibtisch. Madame Nahour war in Amsterdam und das mit einem Mann, der anscheinend ihr Geliebter war. Die Kinder waren an der Côte d’Azur. Im Haus von Nahour waren – außer der Putzfrau – nur dessen Sekretär (Ratgeber, Kamerad oder ähnliches) und die Zofe von Madame anwesend. Und sie gingen den Beteiligten, die Maigret im Laufe der Untersuchung begegnen sollten, mit »beispielhaften« Verhalten voran: sie logen, was das Zeug hielt.