Sonntag


Der folgende Text ist aus dem Heft »Fernsehspiel im ZDF« (Nummer 47 - 1984). In ihm wird die Handlung des Fernsehfilms »Sonntag« beschrieben, die in deutschsprachige Gefilde verlegt wird, sich im Kern aber an dem Roman Simenons orientiert. Es gibt Überraschungen!

Als Erwin und sein Vater Berthes Eltern zum letzten Mal in deren Gasthof in Norddeutschland besuchten, hatten diese eine große Überraschung bereit: Sie hatten Knall auf Fall ein kleines Hotel am Gardasee gekauft - in Ferienstimmung, von einem Makler überredet, verführt von dem traumhaften Panorama mit Pinien und Zypressen. Ein abenteuerlicher Entschluss, denn Berthes Vater war schon alt und krank. Sein Arzt - so verteidigt er den bevorstehenden Umzug hätte ihm dringend ein milderes Klima empfohlen.

Nach einigen Jahren bekam Erwin unerwartet vom Hotel Castello am Gardasee einen Brief, in dem Berthe und ihre Mutter ihn herzlich baten, doch schnell zu kommen und auszuhelfen, weil sich der Vater nach einem Schlaganfall um nichts mehr kümmern könne. Erwin kam und war nicht wenig angetan von diesem schönen Land.

Kurz darauf starb der Todkranke, und Berthes Mutter bewog Erwin, noch zu bleiben. Um Berthe mache sie sich große Sorgen, sagte sie, ihr Vermögen sei zerronnen. Beide seien sie hier fremde geblieben, und das Mädchen hätte niemand, der ihr einmal beistehen könne. Ohne Erwin, seien sie verloren.

Erwin, gelernter Koch, der sein Leben lang ein Zugvogel gewesen war, blieb im Hotel Castello und heiratete Berthe. Schon nach einem Jahr war die Ehe zur Hölle geworden. Erwin, der Berthe nur noch blind hasste, spielte schließlich mit dem Gedanken, einen brutalen Schlussstrich unter alles zu ziehen. Er war ein vorzüglicher Koch, der Restaurant und Hotel bald wieder in Schwung brachte. Er war guter Freund mit aller Welt. Berthe dagegen hielt auf Distanz. Anfangs glaube noch, alle Probleme seien gelöst, wenn er das Castello einfach verließe. Eine Affäre mit einer recht unkonventionellen englischen Journalistin, die im Castello Ferien machte, hatte sogar die Hoffnung in ihm geweckt, in London ein eigenes Restaurant eröffnen zu können. Später zeigte es sich, dass die Engländerin nicht im Traum daran dachte, aus diesem Abenteuer eine Liaison von Dauer zu machen.

Im täglichen Kleinkrieg blieb Berthe immer Siegerin; eine Frau, die in den Siegen einen Ersatz für ihre enttäuschten Erwartungen gefunden hatte. Sie hat den leichtsinnigen Erwin wohl nie für den richtigen Mann gehalten. Was Wunder, dass der »kleine Koch«, der »kleine Lump«, wie sie ihn schon beschimpft hatte, an Rache dachte. Eine Gelegenheit ergab sich rasch: Erwin schlief seit einiger Zeit mit der kleinen italienischen Küchenhilfe Ada. Als Berthe dahinterkam, weigerte sich Erwin, das Verhältnis aufzugeben und Ada wegzuschicken. Obgleich er das Mädchen nicht liebte, wäre er eher bereit gewesen wegzugehen.

Berthe fand sich seltsamerweise mit der Situation ab, verlangte aber, dass der Schein der Ehe gewahrt bliebe. so schlief man also weiterhin im gemeinsamen Schlafzimmer. Berthe, noch immer nicht frei von Mädchenträumen, erhoffte sich wohl einen Neubeginn ihrer Ehe. Erwin sah jedoch in ihrem Verhalten nur den Fortbestand einer rabiaten Herrschsucht. Was anfangs nur wie ein bösartiges Spiel aussah - seine Giftkocherei - wird zur Realität: Berthe sollte sterben.

Dann kommt der fatale Sonntag, auf den Erwin sich festgelegt und für den er alles so gewissenhaft vorbereitet hat: Berthes Lieblingsgericht, Reis und Tintenfisch, wird er am Mittag mit dem sicheren und schwer nachweisbaren Gift versetzen. Die Ahnungslose würde nichts davon merken. Das hatte Erwin in nicht ungefährlichen Selbstversuchen ausprobiert.

Dann ist die Stunde da. Berthe bestellt ihr Essen. Erwin bereitet es unbemerkt vor. Ada serviert es ihr. Nun kommt alles ganz anders, anders als Erwin es erwartet hat… Er erweist sich als ein großer Stümper.