Reisebericht: Mit Maigret nach Paris


Es spricht einiges dagegen, mit dem Auto nach Paris zu fahren. Ein Punkt dürfte dabei sein, dass der Verkehr seit Maigrets Zeiten enorm zugenommen hat. Es ist einfach nicht mehr schön, durch Paris zu fahren, da man an allen Ecken und Enden steht. Die eine oder andere Situation ist dabei noch ganz erquicklich.

Man amüsiert sich über die (künstliche) Aufgeregtheit, wenn ein Bagger- und ein Mercedes-Fahrer miteinander über die Vorfahrt streiten, wobei man doch weiß, wer am Ende gewinnen wird. Aber mir sind Staus zuwider und ich finde sie nicht nicht natürlich. Der zweite Punkt offenbart sich kurz darauf. Wenn man kein Hotel mit Parkhaus hat, ist man auf der Verliererstraße. Die Preise für Parkhäuser sind widerlich teuer (für einen Tag zahlten wir 34 Euro - das Auto hatte theoretisch Blick auf den Kanal St. Martin, aber unser Auto weiß das nicht zu schätzen), und die Chance auf der Straße einen Parkplatz zu bekommen, für den man nicht bezahlen muss und der nicht im Parkverbot liegt, sind recht gering.

Aber die Anfahrt mit dem Zug und dem Flugzeug sind auch nicht ohne Risiko. Deshalb fing die Maigret-Exkursion etwas chaotisch an. Zum einen lag das daran, dass wir (nennen wir es mal die Familie Hahn) zwar recht pünktlich in Paris eintrafen, wir dann aber für uns das Touristen-Privileg in Ansprach nahmen, uns zu verfahren. Wir waren plötzlich an ganz anderen Ecken,als wir uns das vorstellen konnten. Wir hatten viel Zeit zum Gucken, denn wir standen schon alsbald im Stau. Nachdem wir das Problem gelöst hatten, hatten wir ein Parkplatz-Problem. Also haargenau die oben angeführten Punkte. Aber einem Mitstreiter-Paar ging es nicht viel anders. Auch sie mussten sich mit diesen Punkten auseinandersetzen, aber nur, weil die Bahner in Belgien streikten. Während wir es auf dieses Abenteuer angelegt hatten, Freiwillige waren, wurde es bei den Anderen erzwungen.

So begann die Tour nicht am Gare du Nord denn dort kam zwar Simenon an, und auch Maigret vertrat sich während seiner Karriere so manches mal die Beine an diesem zugigen Bahnhof, von den Maigret-Abenteuern kam aber keiner pünktlich an diesem Bahnhof an, so dass die Tour im Hotel Alhambra begann. Das Hotel lag sehr zentral, fast direkt neben der U-Bahn-Station Oberkampf, mitten in der Stadt. Zum Boulevard Richard Lenoir waren es nur ein paar Schritte, und nachdem die Gruppe vollzählig war, war dies auch das erste Ziel. Andächtig verharrten wir vor dem Gebäude, welches vor kurzer Zeit renoviert wurde. Unter dem Boulevard führt der Kanal St. Martin, und als ersten Akt der Spurensetzung wurde an einer Kanalöffnung, welche vergittert war, ein Zeichen gesetzt. Vom Wohnhaus der Maigrets ging es weiter durch Seitenstraßen und wunderschönen Passagen zur Bastille.

Die Führung wurde von Regine Zweifel geleitet, die sich über Monate auf diese Tour vorbereitet hatte, und bei diesen Vorbereitungen auch zahlreiche, sehr schöne Flecken gefunden hat, an denen man sich abseits vom Touristenrummel noch vorstellen kann, wie das Paris Maigrets ausgesehen hat. Der Marsch ging bis zur Bastille, wo wir an der Einfahrt zum Kanal St. Martin es uns gemütlich machten, um ein Bierchen zu trinken. Nach dieser kleine Verschnaufpause ging es zum Montmartre, wo wir, es wurde langsam dunkel, einige Tatorte aus Maigret stellt eine Falle

und anderen Romanen besichtigten, das Hotel begutachteten, welches Simenon zu seiner ersten Unterkunft erkor (ja, es existiert noch, aber nur Hardcore-Simenon-Fans würden aus diesem Grund dort absteigen). Einen Abstecher wagten wir in das Kino Studio 28 (http://www.cinemastudio28.com), bevor es in die Rue Junot ging und von dort aus in eine Brasserie (in der wir feststellen durften, dass Bier mit 7,50 Euro nicht nur ziemlich teuer ist, sondern dass es mit zunehmender Stunde auch noch teurer wird - vermutlich auch eine Pariser Spezialität).

Dieser Freitag hatte uns schon eine Ahnung gegeben, was auf unsere Füße am nächsten Tag zukommen durfte. Am Vormittag ging es durch das Zentrum von Paris, durch düstere Gassen und durch verruchte Straßen. Ziel war schlussendlich die Ile de la Cité und mit ihr der Quai des Orfèvres. Ausgefuchsten Maigret-Fans, und die waren wir alle, war das ein vertrauter Anblick, aber ein Moment des Innehaltens, hat er doch immer. Es war uns leider nicht möglich, herauszubekommen, welches denn das Büro des Kommissars gewesen konnte, denn das vermeintlich offene Fenster des Kommissars stellte kein Anhaltspunkt dar. Dazu waren zuviele Fenster geöffnet.

Der Nachmittag stand ganz im Zeichen des Montparnasse. Wir begutachteten den Jardin de Luxembourg, marschierten an dem Haus vorbei, in dem Simenon das Erscheinen seiner ersten beiden Maigrets feierte und landeten schließlich an der Santé. Hielten inne, um an Heurtin zu denken, der diesem Gemäuer entkam und auch seinen Kopf, den so viele in dem Etablissement verloren hatten, retten konnte. Zu diesem Zeitpunkt gingen die meisten aus der Gruppe schon ziemlich auf dem Zahnfleisch, und so wurde mit einer abendlichen Busfahrt durch Paris, der zweite Tag auf den Spuren Maigrets beschlossen.

Der dritte Tag begann mit einer Kanalfahrt, eben dem schon häufiger erwähnten Kanal St. Martin, von dem es hieß, dass in ihm mit Vorliebe die Toten abgeladen wurden. An diesem Tag fanden sich keine, nur die Information, dass es eine Zeit gab, in der man 5 Francs für jeden geborgenen Toten bekam, und 20 Francs für jeden Geretteten (andersrum wäre schlechter gewesen, befand der Sprecher auf dem Schiff). Los ging es an der Bastille und man fuhrt durch den überdachten Teil. Wider Erwarten sahen wir sogar unsere Schleife, bevor es kurz darauf auf den freien Teil des Kanals ging. Vom Schiff aus konnte man gut das sonntägliche Paris betrachten, welches recht rege war. Das lag auch an dem traumhaften Wetter, welches wir an diesem Oktober-Tag hatten (wie übrigens das gesamte Wetter weniger einem trüben Simenon-Klima entsprach, dafür den langen Märschen durch die Stadt sehr entgegenkam). Mit dem Schiff waren wir etwa zweieinhalb Stunden unterwegs, bevor es mit U-Bahn wieder zurück ging in die Stadt, wo es in der Nähe von St. Louis durch das 4. Arrondissement ging. Marais, Place des Vosges - zwei Schlagworte seien genannt, die diese wunderschöne Tour durch Paris und dann noch im Kontext Simenon und Maigret abschlossen.

Ein Riesenkompliment geht an dieser Stelle nicht nur an Frau Zweifel, die diese Tour sehr souverän und mit viel Humor geleitet hat, sondern auch an die Gruppe, in der man sich sehr wohlgefühlt hat. Besser hätten wir es (bzw. uns) gar nicht treffen können.