Cherchez la femme!


Frauen spielen als Hauptpersonen im Werk von Simenon eine untergeordnete Rolle – das mag erstaunen, aber wenn man sich durch das Werk des Schriftstellers gelesen hat, bleibt einem nichts anderes, als diese Feststellen. Nur zwei schafften es in den Titel: Betty und Tante Jeanne.

François Bondy hat geschrieben, dass jeder Roman um einen Mann kreist. Es gibt natürlich Ausnahmen, und diese Ausnahmen sind absolut lesenswert. Da sollte an erster Stelle »Betty« erwähnt werden. Die Frau läuft eines Abends in einer Bar auf, an ihrer Seite ein Mann, von dem sie annimmt, dass sie mit ihm später in einem Hotelzimmer verschwinden wird. Zu Anfang lässt Simenon den Leser im Unklaren, warum Betty in dieser Bar landete, warum sie einen verrückten Typen bei sich hat. Mit der Zeit wird klar, was für ein Leben die Frau führte und wie sie den Weg zum Leben findet.

Probleme hat auch Célita. Nun ist es so, dass die meisten Menschen in den Romanen von Simenon Probleme haben, aber die Gewichtung ist unterschiedlich (und natürlich gibt es auch ein paar Romane, die einfach nur vor sich hinplätschern, wie zum Beispiel der sehr lesenwerte, aber eigentlich Frauen nur in Form von Mutter und Schwestern tangierende »Kleine Heilige«). Sie ist die Nummer eins unter den Tänzerinnen in einem Nachtklub und die Geliebte des Chefs. Damit hat sie einige Rechte, die sie sehr schätzt. Die Frau des Nachtklub-Besitzers zählt nicht: entweder wird sie irgendwann sterben oder er wird sie verlassen. Womit Célita nun überhaupt gar nicht gerechnet hat, ist, dass eine Neue kommen könnte und sie ausspannen könnte. Aber das passiert natürlich eines Tages und die Tänzerin ist nicht bereit, ihre Position kampflos aufzugeben. Ist natürlich schwer, wenn man für den Mann nur eine Sache ist. Nachlesen kann man diese Geschichte in Striptease. (Übrigens muss ich als Webmaster an dieser Stelle meinen wärmsten Dank an Simenon aussprechen, für diesen wundervollen Titel. Hat er doch dafür gesorgt, dass die verschiedensten Interessenten auf meine Seite verirrt hatten, die bisher mit Striptease weniger Literatur verbanden. Ich denke, das ist nun einmal meine ganz persönliche Vermutung, dass sie leider sofort wieder flüchteten, nachdem sie sahen (lasen?), worum es ging.)

Ein ganz anderer Frauentypus begegnet uns in der Erzählung »Das blaue Zimmer«. Für Tony war es eine flüchtige Angelegenheit, nicht mehr als eine Affäre. Andrée sah das leicht anders. Es kommt zu größeren Ungelegenheit für Tony, als seine Frau stirbt. Denn plötzlich glaubt keiner mehr an Zufall. Jeder schien von der Affäre mit Andrée zu wissen und da auch sie kurz nach dem Beginn der Affäre Witwe geworden war, zählten ziemlich viele Bewohner des Dorfes eins und eins zusammen. Tony, das ist das Verblüffende, ist nur Zuschauer und glaubt nicht, was mit ihm und um ihn herum passiert.

Andrée kann man als Typ »Selbst ist die Frau« bezeichnen und Tony ist noch nicht einmal defensiv. Ganz anders sieht es bei Emil und Berthe aus: Berthe hatte die Frau wegen des Geldes geheiratet. Nun war er ihrer überdrüssig. Der Ausruf »Cherchez la femme!« ist hier nur zu berechtigt. Die Situation eskaliert, als ein neues Dienstmädchen in der Pension, die die Eheleute führen, angestellt wird. Die Kriterien, die Berthe dabei anlegte, waren wohl nicht die, ob das Personal für Emile ansprechend ist. Ada bringt den Mann allerdings ganz schön in Wallung und ihn ihm reift der Entschluss, dass er seine Zukunft als Chef der Pension verbringen möchte. Allerdings sollte die Frau an seiner Seite wechseln. An einem »Sonntag« soll es passieren. Putzigerweise ist Berthe der Ansicht, dass ihr Mann etwas im Schilde führt und wird vorsichtig. Das Ende des Romans könnte eigentlich der Anfang eines neuen sein.