Der erste Maigret-Roman


Ein schöner Tag, irgendwann im September. Georges Simenon schrieb zu diesem Tag, dass er spürte, dass das Ende seiner Lehrjahre nahte. Er brauchte nicht viel, ein paar Genever reichten, da begann er schläfrig zu werden und die Tische in dem kleinen Café in Delfzjil wurden ihm egal. Es zeichnete sich vor seinen Augen die Statur eines Mannes ab, der massiv zu nennen war, gekennzeichnet durch eine Pfeife, eine Melone und einen dicken Überzieher.

Nachdem diese Requisiten standen, war es nur noch eine Kleinigkeit, wenn man den Worten des Schriftstellers glauben darf: am nächsten Tag hatte Simenon das erste Kapitel von »Pietr-le-Letton« (dt.: »Maigret und Pietr der Lette«) stehen, vier oder fünf Tage später war der Roman um Maigret fertig.

So kann man es in den deutschen Ausgaben des ersten Maigrets nachlesen, auch in seinen autobiographischen Werken hatte sich Simenon dazu geäußert. Ganz den Tatsachen entsprach das natürlich nicht: es gab schon vorher Erzählungen, in denen eine Figur namens Maigret auftauchte. Der Name ist aber Schall und Rauch, denn diese Figur trug den Namen des Kommisars, aber konnte nicht mit den Eigenschaften des Kommissars auftauen.

An diesem Septembertag im Jahre 1929 erschuf Georges Simenon eine literarische Figur von Weltgeltung. Sie ist, die dem Schriftsteller zu außerordentlichem Wohlstand und zu weltweiter Bekanntheit verhalf. Simenon hatte, wie er später unumwunden zugab, keinerlei Ahnung, wie es bei der Pariser Kriminalpolizei zuging. Erst nachdem er seine ersten Maigrets geschrieben hatte, bekam er eine Einladung zur Pariser Kriminalpolizei. Er schrieb dazu:

Er [Xavier Guichard, Direktor der Police Judiciaire – Anm. OH] war so freundlich, mir die Kommissare Massu und Guillaume zur Verfügung zu stellen, um mich informatorisch auf das Laufende zu setzen.

Besagter Guichard, ein alter Bekannter aus »Maigrets Memoiren«, also in der Tat eine reale Figur, hatte in den Büchern von Simenon eine Unzahl von Unstimmigkeiten entdeckt, und war der Meinung, die könnten durch eine Einweisung in die Arbeitsweise der Pariser Kriminalpolizei ausgeräumt werden. Betrachtet man sich die Entwicklung der Romane, dann entdeckt man auch, dass Maigret schon bald viele Sachen anders anspackt, als in den ersten Romanen, in denen man hin und wieder nur mit dem Kopf schütteln kann oder sich verwundert die Augen reibt.

Maigret ist natürlich viel älter, aber der erste Maigret-Roman wird in diesen Tagen 75 Jahre alt. Ein Augenblick, den man zur Kenntnis nehmen sollte.