Über die Story

Eines der ersten Kaffeehäuser in Europa dürfte das 1645 in Venedig eröffnete gewesen sein. An zentraler Stelle – am Markusplatz – begann der Siegeszug des schwarzen Goldes durch Europa. Manchmal hat man den Eindruck, es gäbe mehr Kaffeesorten und -zubereitungsarten als Zubereitungsarten für Brote (ohne das wissenschaftlich hinterfragt zu haben, es ist halt ein Eindruck). Es gibt nur wenige Menschen hierzulande, die sich dem Einfluss des Kaffees weitgehend entzogen haben. Ich zum Beispiel.

So gehöre ich nicht zu denen, die Ferdinand Graux Respekt dafür zollen, dass er sich auf den Weg nach Afrika gemacht hat, um dort eine Kaffeeplantage zu betreiben. Überhaupt die Idee! Es dürfte in den 30er Jahren, und ich glaube mal, dass der Roman in dieser Zeit spielt, es dort sehr wirtlich gewesen sein dürfte. Mit allerlei Problemen dürfte der gute Mann zu kämpfen gehabt haben, einige sind in dem Buch geschildert. Immerhin hat Graux noch Glück gehabt: er ließ sich in einer Gegend nieder, in der die Ureinwohner friedlicher Stimmung waren.

Der wirtschaftliche Aspekt darf auch nicht beiseite geschoben werden: Graux machte mit seiner Plantage keinen Gewinn und selbst, wenn er diesen ein paar Jahre gemacht hätte, irgendwann hätte ihn die grausige Realität eingeholt – mit Kaffeebohnen ist heute nicht das große Geld zu machen, wie all zu viele Bauern in Lateinamerika und Afrika berichten könnten. Diesem Schicksal dürfte sich auch Ferdinand Graux, Sohn wohlhabender Eltern, nicht entziehen dürfen. Da ist das Geschäft seines Vaters, wenn das an der Stelle einmal angemerkt werden darf, wesentlich gewinnträchtiger sein: dieser handelte in Moulins mit Waffen. Das Geschäft geht immer und leidet nicht unter Dumping.

Das Schicksal hält in diesem Roman aber nicht zu niedrige Kaffeepreise für Graux bereit, sondern eine wesentlich handfestere Überraschung. Graux hatte gerade seine Eltern und seine Verlobte in seinem Heimatland besucht. Es wurde allerlei beredet (zum Beispiel die bevorstehende Vermählung mit seiner Verlobten), er hatte die Gelegenheit sich mit Literatur einzudecken und sicher hatte er auch alte Freunde besucht. Auf dem Weg in seine neue Heimat lernte er neue Bekannte kennen. Ein keckes Mädchen aus Paris mit ihrem frisch gebackenen Ehemann, der aus Belgien stammte. Gemeinsam flogen sie gen Kongo, wo sich Georges Bodet als stellvertretender Administrator in einem kleinen Ort namens Niangara niederlassen durfte. (Bei allen Schilderungen, die man hierzu in dem Roman findet, gibt es Anklänge an die Reportage »Die zwölf Häuptlinge«.) Henriette, die Frau, hörte fasziniert den Schilderungen Grauxs zu und nervte ihren Mann, in dem sie ihn auf seine Defizite hinwies, nicht einsehend, dass Graux durch seinen längeren Aufenthalt im Kongo (Belgisch-Kongo übrigens), besser informiert und angepasst war. Schon während des Fluges hat er das Gefühl, dass es vielleicht nicht so eine glückliche Fügung war, die das Ehepaar zueinander gebracht hat. Noch unglücklicher war er darüber, dass die beiden nicht weit entfernt von ihm wohnte. Wobei nicht weit entfernt, hundert Meilen und mehr bedeuteten.

Entsetzt musste er bei seiner Heimkehr auf die Plantage feststellen, dass auch dort nicht alles zum Besten stand. Ein Flugzeug war abgestürzt und hatte einen Teil seiner Plantage beschädigt. Schlimmer noch: Die Eindringlinge, gegen die sich sein französischer Verwalter nicht hatte durchsetzen können, waren auf die Idee gekommen, eine Landebahn zu bauen – durch seine Plantage. Allerdings war der Pilot, Hauptmann Philps, nicht auf die Idee gekommen, den Zustand seiner Maschine näher zu untersuchen. Diese Idee hatte der um seine Plantage und um seine Erträge fürchtende Heimkehrer und sie stellen fest, dass die Maschine nicht flugtauglich war.

Mit Philps war auch Lady Mary Makinson, eine reizende ebenso junge wie englische Lady bei ihm eingeflogen. Obwohl verheiratet, pflegt sie eine Affäre mit ihrem Piloten und macht sich daran, den spröden Ferdinand Graux auf ihre Seite zu ziehen. Der hat anfangs nichts anderes im Sinn, als den unwillkommenen Besucher, der sich schnell häuslich eingerichtet hat (allerdings ohne einen Handschlag zu tun – man hat es halt mit einer Lady zu tun), loszuwerden. Vielleicht ... wenn die Ersatzteile aus England nicht so lang gebraucht hätten, vielleicht wäre dann Graux nicht den Reizen der Frau erlegen… vielleicht.

So verliebte sich Graux in die Frau und fing sogleich an, Besitzansprüche zu stellen. Die Lady, die eine lockerere Herangehensweise hatte, fühlte sich beengt und versuchte auf Distanz zu gehen. Nicht ganz leicht, wenn man in der afrikanischen Wildnis hockt.

Die Briefe in die Heimat wurden so merkwürdig, dass sich die Familie anfing Sorgen zu machen und die Verlobte Grauxs sich entschloss, in den Kongo zu reisen. Der Leser wünscht ihr das Beste; der Verfall des Mannes ist kaum zu ertragen – wie kann er sich nicht nur in die Arme einer so verantwortungslosen Frau wie Lady Makinson stürzen? Wäre noch zu sagen, dass es auch ein Drama in Niangara gibt, welches nicht spurlos an Graux vorüberzieht.