Über die Story

Die Telegramme landeten nach und nach auf Maigrets Schreibtisch. Zuerst von Interpol, dann eines aus Bremen, eines aus den Niederlanden und zuletzt aus Brüssel. Das Objekt der Beobachtung war etwa 32 Jahre alt, einen Meter neunundsechzig groß und ein Mann, der der Polizei unzählige Rätsel aufgab und von dem vermutet wurde, dass er der Chef einer international agierenden Gangsterbande war.

Maigrets Aufgabe war, diesen Mann unter Kontrolle zu haben. Pietr musste das Gefühl gegeben werden, dass ihm der Freund und Helfer eines jeden Bürgers zur Seite stand und jede Schwierigkeit, die sich mit dem Gesetz ergeben könnte, durch diese etwas ungewöhnliche Touristen-Begleitung umgangen wird. Da vermeldet wurde, dass Pietr mit dem Zug reist, begab sich Maigret zum Gare du Nord, um den Gast auf das herzlichste und unauffälligste zu begrüßen.

Etwa zweihundert Menschen ließ Maigret vorüberziehen, ehe sein Blick in dem Strom auf einen Mann fiel, der einen grünen, großkarierten Reisemantel trug, dessen Schnitt und Farbe eindeutig nördlichen Stils waren.
Der Herr hatte es nicht eilig. Drei Gepäckträger folgten ihm. Der Hausdiener eines großen Hotels an den Champs-Elysées bahnte ihm ehrerbietig den Weg.
»Vermutlich 32 Jahre alt, 1,69 groß ... Nasenrücken…«
Maigret bewegte sich nicht. Er betrachtete das Ohr. Das genügte ihm.
Der grüngekleidete Mann ging nah an ihm vorbei. Einer der Gepäckträger stieß den Kommissar mit einem der Koffer an.
Im selben Augenblick rannte ein Bahnbeamter los und rief seinem Kollegen schnell etwas zu, der am Ende des Bahnsteigs in der Nähe der Speere stand.
Die Sperre wurde geschlossen. Protestrufe ertönten.
Der Herr im Reisemantel befand sich bereits am Ausgang.

Der Auftritt war perfekt. Während Pietr sich zum Hotel begibt, berichtet der Bahnbeamte Maigret, dass man einen Mann tot aufgefunden hat. In dem Waggon, von dem Maigret wusste, dass Pietr in ihm gereist ist.

Da drehte Maigret den Kopf des Mannes zur Seite und klemmte seine Pfeife noch fester zwischen die Zähne.
Hätte er nicht den Reisenden in dem grünen Mantel zum Ausgang gehen sehen und hätte er nicht beobachtet, wie er sich in Begleitung eines Dolmetschers des Hotels Majestic zu einem Auto begab, hätten ihm Zweifel kommen können.
Dieselbe Personalbeschreibung. Der gleiche kleine, blonde, wie eine Zahnbürste geschnittene Schnurrbart unter einer scharfkantigen Nase. Die gleichen dünnen hellen Augenbrauen. Die gleichen grünlichgrauen Pupillen.
Mit anderen Worten: Pietr, der Lette!

Im Hotel Majestic gesellt sich derweil Pietr zu einem bekannten amerikanischen Ehepaar: Mr. und Mrs. Mortimer-Levingston. Hinter dieser Verbindung stecken Milliarden und Maigret hegt die Vermutung, dass der Lette einen Teil von dem Vermögen in das seine abzweigen möchte.

Ein kurzen Intermezzo in Fécamp. Maigret lernt die Frau eines Kapitäns der Handelsmarine kennen und einen betrunkenen Russen. Dieser trinkt sich selber unter den Tisch und fährt am Morgen mit Maigret nach Paris zurück.

Für die Überwachung von Pietr wird Torrence abgestellt, der sich es in einem Nachbarzimmer im Majestic bequem machen darf. Der Tag verläuft ereignislos. Maigret begleitet abends die Mortimers in die Oper und versucht das Ehepaar in den Augen zu behalten. Was allerdings nicht ganz gelingt, denn Monsieur Mortimer-Levingston gelingt es, in einer Konzertpause, ohne seinen Mantel von der Garderobe abzuholen, zu verschwinden.

Maigret kann den Geschehnissen nicht ganz folgen. Aber es kommt noch besser…

Rechtzeitig zum Ende des Opernabends zurück, begibt sich das Ehepaar in einen Nachtclub. Nach einigen Tänzen und Drinks macht sich das Ehepaar – von Pietr immer noch nicht belästigt – auf den Weg zum Hotel. Vor dem Eingang des Nachtclubs erhält Maigret keine Gelegenheit den Mortimers zu folgen. Es wird ein Schuss auf ihn abgegeben und Maigret geht zu Boden.

Maigret kehrt – ohne einen Arzt zu konsultieren – in das Majestic zurück. Dort trifft er Torrence an: leider tot.

Noch einmal lehnte er sich wie in den Fluren mit der Schulter an die Wand, und sein Gesicht verfiel plötzlich zusehends. Er schien gealtert, entmutigt. Vielleicht war er in diesem Moment nahe daran, in Schluchzen auszubrechen. Aber er war zu groß, zu massiv, aus zu hartem Stoff.