Über die Story

Vor längerer Zeit

Es war einmal ein armer, einsamer Buchhalter, der wohnte in Fécamp (wieder einmal, werden Simenon-Freunde sagen, aber bestimmte Motive tauchen in Märchen immer wieder auf). Der Buchhalter war bei einer Reederei beschäftigt und musste regelmäßig auf Schiffe um die Ladung zu begutachten, zu schauen, ob auch alles seine Richtigkeit hatte – das für sind Buchhalter schließlich da.

Nun verhielt es sich mit den Schiffen so. Sie lagen im Hafen, wenn der Buchhalter sie besuchte, war es ruhig, kein Grund unter der Seekrankheit zu leiden. Ihm war aber trotzdem unwohl. Den Matrosen blieb das nicht verborgen und die Matrosen der »Saint-Thérèse« machten sich darüber nicht nur lustig, sie ließen den derben Worten Taten folgen.

Als der Buchhalter, Jules Lapie, nun einmal auf den Frachter kam um die Ladung zu kontrollieren, brachten die Matrosen ihn dazu, ein bisschen was zu trinken. Er trank so viel, mit freundlichen Unterstützung der Matrosen, dass er so betrunken war, dass sie ihn in einen Laderaum in eine Ecke warfen, wo er seinen Rausch ausschlafen sollte. Zwei Tage später, man war mittlerweile auf den Weg in Richtung Kap Hoorn, entdeckte man den Buchhalter. Der Kapitän weigerte sich umzudrehen oder von der Route abzuweichen. Bei dieser Fahrt verlor der Buchhalter während seines Sturms ein Bein.

Zurück in Fécamp verklagte er die Reederei und bekam Recht. Mit der Entschädigung und einer satten Pension zog er sich in die Nähe von Paris zurück, weit weg vom verhassten Meer, zog in eine neue Siedlung. Sein Haus hieß »Kap Hoorn« und dort lebte der Mann mit seinem Dienstmädchen.

Der eigentliche Fall

Die Frage ist eigentlich, ob er dort glücklich wohnte. Nun, in einem gewissen Maß schon. Er war von dem Dienstmädchen abhängig, wie sie von ihm, auch wenn das Dienstmädchen Félicie später bestritt, jemals eine Beziehung zu ihm gehabt zu haben, geschweige denn, dass er sie anfassen durfte.

Eines schönen Tages kam sie von ihrem täglichen Einkauf zurück und fand ihn erschossen im Haus vor. Eigentlich kein glückliches Ende für ein Märchen, zumindest nicht für Jules Lapie, mittlerweile »Holzbein« genannt.

Eine große Hilfe war sie – das Dienstmädchen – Maigret nicht, eher ein Hindernis. Nein, er war nicht ihr Liebhaber, und dass Maigret beharrlich von ihrem »Arbeitgeber« sprach, behagte ihr überhaupt nicht. Genauso wenig behagte ihr, die sie 24 Jahre alt war, nicht, dass Maigret sie ohne mit der Wimper zu zucken und von seinem einmal eingeschlagenen Pfad abzuweichen, sie immer »meine Liebe« nannte.

Wer sollte einen ehemaligen Buchhalter umbringen wollen? Nein, sie war es nicht, auch wenn sie zur Überraschung der Verwandtschaft alles von Lapie erbte, Maigret konnte sich das nicht vorstellen. Der Neffe kam da schon eher in Betracht. Er hatte eine zeitlang in dem Haus gelebt, aber die Ermittlungen in seine Richtung verlaufen schleppend – Maigret glaubt das Geheimnis im Haus »Kap Hoorn« zu lösen. Janvier folgte dem Neffen, der Saxophonist ist und sich mit Jobs in Bars mehr schlecht als recht durchs Leben schlägt. Der macht sich auf den Weg nach Rouen, sein Besuch war nicht erfolgreich, er wirkt zunehmend verzweifelter.

Das Früchtchen ist reif

Die permanente Verfolgung macht den Musiker schließlich mürbe. Maigret macht sich auf den Weg in die Bar des Musikers und will ihn »interviewen«, der Neffe – Pétillon – des Buchhalters ist auch bereit zu antworten, aber der Kommissar lässt sich Zeit und schlägt ihm vor, einen anderen Ort aufzusuchen, wo es ruhiger ist.

An der frischen Luft fragte Maigret:

»Ist sie deine Geliebte?«
»Wer?«
Sieh da! Der Bursche war wirklich erstaunt. Es gibt Untertöne, die täuschen nicht.
»Félicie.«
Und Pétillon wiederholte wie jemand, dem dieser Gedanke noch nie gekommen ist und der gar nichts mehr verstand: »Félicie, meine Geliebte?«

Kurze Zeit später, Maigret hat immer noch nicht die Fragen gestellt, die der Saxophonist erwartet hatte, vor einem Café:

In diesem Augenblick fiel ein Schuss. Der Kommissar hatte den Eindruck, dass fast gleichzeitig mit dem ersten noch ein zweites Geräusch ertönte, und ein Taxi fuhr mit aufheulendem Motor in Richtung Boulevard Rochechouart davon.

Die Kugel hatte den Neffen getroffen, der schwer verletzt in das Krankenhaus eingeliefert wurde. Schwer verletzt, war kurze Zeit auch das Dienstmädchen, wenn auch von ganz anderer Natur. Die Nachricht, dass der Neffe des Buchhalters schwer verletzt worden ist, angeschossen gar, setzte ihr, die vor kurzem noch zu Maigret sagte »Der, mein Liebhaber?«, sehr zu.

Trotz allem sind ihre Antworten auch weiterhin sehr einsilbig. Selbst ein gemeinsamer Besuch im Krankenhaus mit Félicie bringt sie keineswegs in weichere Stimmung. Sie nutzt im Gegenteil die Gelegenheit, Beweismaterial verschwinden zu lassen. Das Dienstmädchen, von allen Paradiesvogel, verspottet, lebt in ihrer eigenen Fantasiewelt, alle Antworten, die sie dem Kommissar gebt, sind angeregt von dem was sie im Augenblick sieht: so mutiert ein rothaariger Kellner zu einem rothaarigen Reedersohn, der sie in Fécamp heiraten wollte, da sie aber Rothaarige nicht leiden kann und da ihr der Vater immer nachstieg, hätte sie das abgelehnt und sei lieber als Dienstmädchen zu Jules Lapie gegangen. Der Kommissar muss schon suchen, bevor er einen Satz mit einer Wahrheit zu hören bekommt.

Maigret macht aber auch ohne die Hilfe des Dienstmädchens seine Entdeckungen.