Über die Story

Bernard Jeantet war ein glücklicher Mensch. Er hatte eine gewisse berufliche Unabhängigkeit als Zeichner für Werbung und für Zeitungen, die es ihm erlaubten, nicht zuviel zu arbeiten und sich einen gewissen Freiraum für seine Frau und seine Freizeitspielereien zu lassen. Der Mann freute sich, wenn er nach Hause kam und ihn seine Frau begrüßte.

Er ahnte es so wenig voraus wie etwa Reisende in einem Zug, die wenige Augenblicke vor dem Unglück noch im Speisewagen essen, sich unterhalten, lesen, vor sich hindösen oder die vorüberziehende Landschaft betrachten. Er ging weiter, ohne sich über diese Ferienstimmung zu wundern, die Paris von einem Tag auf den andern erfasst hatte. War es zu dieser Jahreszeit nicht jedesmal das gleiche mit diesen drückend heißen Tagen, an denen einem die Kleider am Körper klebten?

Jeantet war ein Eigenbrödler, der nicht viel brauchte: seine Frau war der einzige Mensch, mit dem er engen Kontakt hatte. Freunde? Fehlanzeige. Verwandtschaft? Schon seit Jahren den Kontakt abgebrochen. Nachbarn? Die hat man, gegen die kann man nichts machen.

Seine Frau schien genauso veranlagt. Sie hatte mehr Kontakt, unterhielt sich mit den Nachbarn, erledigte die Einkäufe und kam so mit mehr Leuten in Berührung. Aber eigentlich, war sie ähnlich gestrickt, wie ihr Mann.

Umso verwunderter reagierte er, als er eines Tages nach Hause kam, und seine Frau nicht vorfand. Beunruhigt stellte er fest, dass nichts vorgekocht war, seine Abendzeitung fehlte – alles das, was ihm das tägliche Leben versüßte, oder um es anders zu sagen, all das, was das tägliche Ritual bedeutete.

So machte er sich nach kurzer Zeit auf den Weg, um zu klären, wo denn seine Frau bleibt. Aber weder Nachbarin, noch Concierge (»Ich kümmere mich nicht um das Kommen und Gehen der Hausbewohner, und schon gar nicht um das, was die Frauen treiben.«), noch irgend jemand im Viertel kann dem Mann sagen, wo seine Frau ist. So wendet er sich an die Polizei, und ein alter Bekannter Jeantets – Inspektor Gordes – ist zur Stelle, um ohne große Verwunderung Notiz von den Befürchtungen des Mannes zu nehmen. Gordes hatte Jeantet vor Jahren gewarnt, sich mit der Frau einzulassen: Und so wird der Leser aufgeklärt, was es mit dem Vorleben Jeantets Frau auf sich hat.

Der Titel ist eindeutig: es geht um einen Witwer. Der Witwer ist Jeantet. Seine Frau Jeanne hat sich umgebracht. In einem Hotel, das in einem anderen Viertel liegt, in einem Zimmer, welches sie regelmäßig aufgesucht hat und in einer Kleidung, die Jeantet überhaupt nicht als den Stil seiner Angetrauten kennt. Um das Bett herum wurden Blumen verstreut: da der Leichnam zum Zeitpunkt ihres Auffindens sich in einem fortgeschrittenen Stadium der Verwesung befindet, machen die Blumen aber auch gar nichts besser.

Für den Witwer beginnt eine Zeit des Leidens: Die Eltern seiner Frau kommen, und haben für ihn nur Verachtung übrig. Die Nachbarin, mit der seine Frau viel Zeit verbrachte, schaut verächtlich an, der bei ihr lebende Junge, hat kein Wort mehr für Jeantet übrig und Inspektor Gordes betont immer wieder, er habe nie etwas anderes erwartet. Jeantet muss nun Antwort auf die Frage finden, ob seine Frau ihm wirklich so fremd war.