Über die Story

In den Büchern Simenons findet man immer wieder ein Thema, welches mich als nicht Dabei-Gewesener fasziniert: das Ritual der Leute (wahrscheinlich: einiger Leute) an den Sonntagen. Man packt am Samstag nachmittag oder abends alles zusammen - zu der Zeit hat man auch Samstags noch gearbeitet - und fährt irgendwo raus ins Grüne. Gut, das machen viele Leute heute noch so. Bei dem Geschilderten handelt es sich aber so etwas wie ein Gewohnheit, weil sie immer wieder zum gleichen Ort fahren, und aus diesem Gewohnheit heraus sich am Ort des Zusammentreffens Gruppen entwickeln, die auch in der Stadt miteinander verkehren. Solch eine Gruppe schildert Simenon in »Maigret und die kleine Landkneipe«, und auch in dieser Erzählung ist dieses Thema wiederzufinden.

Die Gruppe, die sich in Tilly beim Beau Dimanche Woche für Woche traf, hatte bis zum 27. Juni einen Mittelpunkt: Robert Dandurand, von allen nur Bob genannt. In der Woche zuvor hatte er plötzlich für sich das Angeln entdeckt, was einige der Anwesenden schon verwunderte, denn Bob gehörte nicht zur Spezies der Frühaufsteher. Aber man nahm es hin, warum sollte sich ein Mensch nicht ändern.

Bob hatte immer einen Scherz auf den Lippen und zog andere Menschen auf. Er konnte gar nicht anders. Er passte gut zu seiner Frau Lulu, alle hatten den Eindruck, dass sie ein gutes Paar waren. Bis zu diesem Sonntag.

Robert Dandurand tuckerte am frühen Morgen von dannen und kehrte nicht mehr wieder. Man fand ihn Stunden später - ertrunken. Alle Wiederbelebungsversuche waren umsonst und der hinzugezogene Gendarm, sagte, was er dachte: das war wohl kein Unfall. Denn bei einem Unfall war es sehr unwahrscheinlich, dass sich ein Seil, das als eine Art Anker dienen sollte, sich zweimal um das Bein schlang. Er ließ auch entsprechende Versuche machen, aber kein einziges Mal gelang es dem Testenden, auch nur annährend eine solche Konstellation hinzubekommen.

Lulu war verständlicherweise verzweifelt, weil sich bei ihr zu dem Rätselraten, warum ihr Mann sich umgebracht hat, noch die Frage kam, warum er sich mit seinen Problemen, wenn er denn welche hatte, an sie gewandt hat.

An dieser Stelle kommt der Arzt Charles Coindreau ins Spiel, der es auch sehr merkwürdig findet, dass sich jemand wie Bob das Leben nimmt. Das Buch ist in der Ich-Perspektive geschrieben, und man kann verfolgen, wie Charles mit den verschiedensten Beteiligten spricht, um herauszubekommen, warum der Bohemien sich umgebracht hat. Dabei entdeckt er nicht nur, dass der Verstorbene eine Vergangenheit hatte, von der man als Freund hätte wissen sollen. Und sei es nur, um ihn besser zu verstehen und er merkt bei seinen Nachforschungen, dass er anders über Menschen urteilt als seine Frau, die diese Detektivarbeit nur bedingt gut heißt. Sie kann es nicht verstehen, dass sich Charles rührend um Lulu kümmert.

Bob hatte es nicht so mit der Arbeit, Lulu führte ein Geschäft, dass er ihr gekauft hatte. Davon konnten sie gut leben. Dafür hatte Bob ein Lebensmotto:

Es ist doch so: Wenn jeder sich nur um das Glück eines einzigen Menschen kümmern würde, wäre die ganze Welt glücklich.

Bob hatte nach diesem Motto gelebt - aber warum hat er sich umgebracht. Charles kommt ihm auf die Spur.