Über die Story

Ein Rätsel habe ich gelöst, ein anderes ist geblieben. Das meine Ausgabe, in der diese Reportage erschienen ist, »Die Pfeife Kleopatras« heißt, liegt wohl auch im Kapitel 10 der Reportage begründet, die diesen Titel trägt. Es taucht auch die Pfeife Kleopatras auf. Nur: ich habe keinerlei Ahnung, was es mit dieser Pfeife Kleopatras auf sich hat. Der Begriff steht am Ende eines Kapitel, in dem sich Simenon bitterlich darüber beklagt, dass es ziemlich schwierig ist, anständigen Tabak zu bekommen und französische Zigaretten in der weiten Welt überhaupt gar nicht zu bekommen sind. ATTAC wird sich dem sicher nicht anschließen, aber ein paar positive Aspekte hat die Globalisierung schon an sich. Der französische (und nicht nur der) Raucher bekommt heute überall seine Gitanes und kann diese genießen.

Die Berichte, die dieser Reportage zugeordnet wurden, erschienen in einem Zeitraum zwischen Februar und September 1935. Simenon befand sich zu der damaligen Zeit auf einer Weltreise und berichtet von dieser in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen in launiger Form.

Simenon erzählt von seinen Mitreisenden, den fanatischen Neu-Amerikanern, die sich über alles stellen und den Rest der Welt zu beschimpfen pflegen, sich erhaben fühlen – Bürger, die von Amerikanern trotz ihres allseits bekannten Patriotismus vorsichtig beobachtet werden; von sparsamen Mitreisenden, die um Geld zu sparen, ihren Koffer selbst den Kai entlangtragen und zum Schluss doch abkassiert werden, weil eine Vereinbarung mit der Gewerkschaft in der entsprechenden Stadt vorsieht, dass man für jedes Gepäckstück zu zahlen hat, egal, ob es von einem Hafenarbeiter getragen wird oder von dem Besitzer selbst. Vereinbarung ist halt Vereinbarung. Der Weltreisende versäumt es nicht, sich selbst kritisch zu beäugen und berichtet von einer Begegnung mit Matrosen auf einem Schiff, die er heil übersteht, aber sich trotzdem nicht als Sieger betrachten kann.

Zwei Kapitel, also vermutlich zwei »Briefe« an die Zeitung, betrachtet Simenon das Leben der Kakao-Junker in Südamerika. Diese sind ohne großes Zutun durch den großen Bedarf Anfang des 20. Jahrhunderts sehr reich geworden. Das Geld floss ohne Mühe. Das änderte sich mit der Weltwirtschaftskrise, das Geld ging flöten und so mussten viele das Leben in Saus und Braus in den Metropolen wie Paris und London aufgeben und gaben sich verarmt zurück in die Heimat zurück. Simenon ist beeindruckt, wie schnell sich die Kakao-Junker der neuen Situation anpassen. Keine Allüren, kein Jammern, nur noch die Arbeit zählt.

Was die Franzosen zu Hause natürlich interessierte: was machten die Franzosen in der weiten Welt. Auf diese hatte Simenon ein besonderes Auge. So berichtete er von einem Paar, welches in Südamerika so wie in einer französischen Kleinstadt lebte. Die Frau interessierte sich brennend für die Preise in Frankreich, Simenon hatte das Gefühl, in einem heimischen Haushalt aufgenommen zu sein. Das besondere an dem Pärchen war, dass sie sich immer mal wieder auf Expeditionen begaben, um Gebirge zu erforschen und Flussläufe zu erkunden. Das Pärchen, so berichtete der Schriftsteller, hatte mehrere Flüsse entdeckt, die teilweise die Namen der beiden trugen, deren Quellen noch völlig im Dunkeln lagen. Er war schwer beeindruckt von der Abenteuerlust und Normalität dieses Ehepaares.

Dass Simenon ein guter Stoffverwerter war, dürfte bekannt sein. Ebenso, dass sich viele Geschichten, die Simenon erzählt, in der Realität wirklich zugetragen hatten, häufig auch im Beisein von Simenon. In dieser Reportage gibt es auch ein Aha-Erlebnis: Es wird von einem amerikanischen Stoff-Produzenten berichtet, der mit seinen Freunden auf der See unterwegs ist und behauptet, würde man den Meeresgrund untersuchen, dann würde man die Route des Schiffes anhand der leeren Champagnerflaschen verfolgen können. Kaum am Ziel der Reise angekommen, verletzt sich der reiche Mann so schwer, dass sie umgehend kehrt machen. Die Geschichte kommt dem Simenon-Freund sicher bekannt vor: in Little Samuel auf Tahiti machte Simenon aus dem Reportagestoff eine Erzählung.