Über die Story

Also Lucien hatte es überhaupt gar nicht gepasst. Der Bruder von Blaise Huet war nicht nur Redakteur bei der örtlichen Zeitung, nein, er war auch Mitglied in den verschiedensten Vereinen (in der Regel stellvertretender Vorsitzender oder Schatzmeister) und bekennender Katholik. Nun war Allerheiligen nicht so der wichtigste Feiertag der Katholiken, aber sich vor einem solchen Tag, wie es sein Onkel tat, umzubringen, war ein starkes Stück. Das taten Katholiken doch nicht! Luciens größte Sorge war, dass man seinen Onkel Antoine nicht kirchlich beisetzen werde.

Antoine Huet war eine Persönlichkeit in der Stadt und geachtet über die Region hinaus. Er war nur Jurist, ohne als Rechtsanwalt zu praktizieren. Man holte seine Meinung zu bestimmen Fällen ein, und wenn er gewollt hätte, wäre er sicher als Richter an den Internationalen Gerichtshof berufen worden. Aber er liebte das Leben in der Stadt. Hin und wieder bekam er Besuch von seinen Verwandten: Brüdern, Schwester, deren Kindern und Angeheiratete. Er hörte ihn geduldig zu, erkundigte sich nach den anderen, wusste auch über jeden Einzelnen von ihnen Bescheid, und nahm, wenn es gewollt wurde, zu ihren Gunsten Einfluss.

Colette, seine Frau, ist für die meisten Männer der Stadt das begehrenswerteste Wesen, welches es gibt. Sie liebt auch die Männer und Antoine hat es verstanden, dieses Begehren in geordnete Bahnen zu lenken. Der Mann ein Nichte, Jean Floriaus, ist damit betraut worden, Geliebter von Colette zu sein. Antoine mochte ihn. Das dieses Verhalten seiner Nichte vielleicht nicht ganz recht sein könnte, daran dachte er wohl weniger. Aber von Floriaus konnte man nicht sagen, dass er sich über dieses Arrangement beklagte.

Blaise passt weder in die eine noch in die andere Kategorie der hier erwähnten Charaktere. Sein Onkel hatte ihm die Tätigkeit als Zeichenlehrer in der Schule für schöne Künste am Orte besorgt (spielt übrigens nicht in Paris die Erzählung, ohne dass Einzelheiten genannt werden), wo er seine Tätigkeit mehr schlecht als recht verrichtet. Letztendlich brauch er etwas, womit er sein Geld verdient. Seine Frau ist allerdings so anspruchsvoll, dass sie ein Leben führen, welches nicht nur Lucien für moralisch verwerflich hält, auch die Mutter von Blaise ist alles andere als begeistert und meidet ihren Sohn, so es geht, und schneidet ihre Schwiegertochter komplett. Diese – Irène – hat sich einen Geliebten zugelegt, der dafür sorgt, dass der Lebensstandard gewährleistet ist, der Irène vorschwebt. Blaise weiß darum, noch besser, er empfängt ihn tagtäglich in seiner Wohnung wie einen Freund. Man kann sagen, was man will, das ist schon ziemlich abartig.

Aber in diesem Kreise, der sich so gierig auf das Erbe von Onkel Antoine stürzen will, gibt es einen, zu dem einen überhaupt nichts einfällt: Von Anfang an wird geraunt, dass Édouard in der Stadt sei. Dieser war der Mann von Marie, die ganz früher mal in Lucien verliebt war, dann aber auf eben diesen Édouard hereinfiel. Der war zu der Zeit ein schneidiger junger Mann, der viele Ideen hatte und noch mehr Affären. Dann kam der zweite Weltkrieg und man er arrangierte sich prächtig mit den Besatzern. Mit deren Abzug hatte er allen Grund zu verschwinden, seine Frau und seinen Sohn ließ er zurück. Was im Zuge der Aufarbeitung des Gewesenen ans Tageslicht kam, war nicht erfreulich: Édouard hatte Lucien bei den Besatzern denunziert, so dass dieser nach Buchenwald kam.